
MOORBURG/MARMSTORF Wie konnte der zehn Jahre alte, geistig behinderte Junge, der am 28. Februar am Bubendey-Ufer bei Moorburg in die Elbe stürzte und trotz Rettungsversuchen in den Fluten versank, den 15 Kilometer langen Weg von der Schule am Nymphenweg in Marmstorf zum Anleger an der Elbe schaffen?
Diese Frage beschäftigte die Kripo vom ersten Tag an. Mittlerweile scheint das Bild klarer zu werden. Der Zehnjährige war Autist – was oft mit einer „Inselbegabung“ verbunden ist. Er kannte die Strecke von einem Ausflug und hat sie sich offenbar gut gemerkt.
Der Zehnjährige habe ein Interesse am öffentlichen Nahverkehr gehabt und auf Ausflügen ein gutes Orientierungs- und Erinnerungsvermögen bei bekannten Strecken gezeigt, teilte die Leitung der Marmstorfer Förderschule nach Angaben der Schulbehörde mit. Das Kind sei im schulischen Kontext aber nie allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs gewesen. Mit seiner neuen Klasse am Standort Nymphenweg habe der Zehnjährige Ausflüge mit dem HVV unternommen, unter anderem mehrfach zu den Landungsbrücken und von dort mit der Fähre nach Finkenwerder.
Die Polizei ermittelt noch, wie der Schüler das Gelände unbemerkt verlassen konnte und wie er die rund 15 Kilometer von seiner Schule zum Fähranleger zurücklegte. Inzwischen liegen mehrere Videoaufnahmen vor. Sie zeigen das Kind auf einer Fähre von den Landungsbrücken zum Bubendey-Ufer und in der S-Bahn zur Haltestelle Landungsbrücken. Unklar ist bislang, wie der Junge von der Schule zur
S-Bahn kam. Es wird vermutet, dass er mit einem Bus fuhr.
Die Aufnahmen zeigen auch, dass der Junge allein war. Für die Polizei ist es weiter ein Vermisstenfall – auch wenn damit gerechnet wird, dass das Kind ertrunken ist. Boote der Wasserschutzpolizei fahren verstärkt Streife in den Bereichen der Elbe, zu denen ein Körper getrieben worden sein könnte.
Am Tag des Unglücks und am Tag darauf hatten Polizei und Feuerwehr mit einem Großaufgebot nach dem Kind gesucht. Dabei waren auch der Polizeihubschrauber und viele Boote eingesetzt worden. Polizeitaucher hatten noch einmal Bereiche um das Bubendey-Ufer abgetaucht, in denen ein Körper unter Wasser hängen geblieben sein könnte. Gefunden wurde der Junge bis Redaktionsschluss nicht.