Dirk Andresen
EIMSBÜTTEL Es waren Szenen wie aus einem schlechten Katastrophenfilm: Polizei-Blaulicht, verstörte Menschen, die aus ihren Wohnungen evakuiert werden, Flüche, Tränen, Dramatik.
So geschehen mitten in Einsbüttel, im Mietshaus Langenfelder Damm 6. Am Freitag vergangener Woche klingeln dort Vertreter der Hausverwaltung, Polizisten, Mitarbeiter des sozialen Dienstes und der Baubehörde die 13 Mietparteien aus ihren Wohnungen. Ihre strikte Anweisung: sofort das gesamte Haus räumen, nur 30 Minuten bleiben zum packen! Der Grund: Akute Einsturzgefahr – ein wahr gewordener Albtraum.
„Einige Mieter wollten ihre Wohnungen partout nicht verlassen, deshalb war auch die Polizei vor Ort“, sagt Igor Lotz, der im Erdgeschoss des Nachbarhauses Nummer 8 eine Änderungsschneiderei betreibt und etliche der Ausquartierten persönlich kennt. Lotz weiter: „Die waren alle böse überrascht und teils auch sehr verzweifelt, wussten natürlich nicht, wie es weitergeht.“ Die meisten Mieter wurden erstmal in einem Hotel in der Kieler Straße untergebracht, die Kosten übernimmt zunächst der Vermieter, eine Erbengemeinschaft. Eine Mieterin, die anonym bleiben möchte, zum Elbe-Wochenblatt: „Was nun? Ein Zurück wird es nicht geben, und wenn, dann wohl vielleicht erst in ein paar Jahren – und ganz sicher nicht mehr zu den alten Mieten.“ Droht jetzt nach dem Wohnungsverlust tatsächlich auch noch schwerer finanzieller Schaden für die Betroffenen? Und wie konnte es im bautechnisch so pingeligen Hamburg zu solch einem Katastrophen-Szenario kommen?
Am Tag vor der Räumung hatte ein Ingenieursbüro die Statik des Hauses bei einer Kellerbegehung untersucht und kam zu einem schockierenden Ergebnis: „Die unteren Flansche der Stahlträger waren größtenteils freiliegend und stark korrodiert, in wesentlichen Teilen gar nicht mehr existent.
Die Standsicherheit ist nicht mehr gegeben – es besteht Gefahr für Leib und Leben. Die Nutzung des Gebäudes ist bis auf weiteres zu unterbinden!“
Inzwischen wird mit der Montage so genannter „Drehsteifen“ im gesamten Gebäude versucht, die akute Einsturzgefahr zu dämmen. Claus-Peter Mägde, der Statiker der das vernichtende Urteil fällte, gegenüber RTL: „Dass das Gebäude schnell wieder bezogen wird, halte ich für unwahrscheinlich, ich halte es für zu gefährlich.“ Eine Sanierung würde nach seiner Einschätzung mindestens ein halbes Jahr dauern.
Wie geht es bei dieser düsteren Prognose für die Mieter weiter? Laut Mieterverein muss der Vermieter die Wohnungen wieder herstellen: „Ob das sechs Wochen oder sechs Monate dauert… – solange trägt der Vermieter die Kosten für die Unterbringung der Mieter“. Angeboten wurde von der Erbengemeinschaft bisher, 80 Euro Unterbringungskosten pro Mieter und Tag zu übernehmen. Maximal ein ganz kleiner Trost für die aus dem Nichts so hart Getroffenen.
