Die in Wilhelmsburg lebende Musikerin Renee de la Prade hält die Bezahlung der Künstler beim Festival 48h Wilhelmsburg für nicht angemessen. Foto: Julie Nagel

Das nicht-kommerzielle Musikfestival kann keine Gagen wie kommerzielle Festivals zahlen – Kritik von Musikerin Renee de la Prade

Olaf Zimmermann, Wilhelmsburg. Beim Musikfestival „48h Wilhelmsburg“ muss jeder Euro dreimal umgedreht werden. Mindestens. Der Etat ist schmal, ohne Spenden, Sponsoren, Bezirksmittel und ehrenamtliches Engagement reicht es nicht – auch wenn die Stadt jetzt jährlich mit 80.000 Euro zuschießt. Wo es geht, wird gespart. Die Zuwendungen an die auftretenden Künstler sind überschaubar. „Die Künstler fühlen sich ausgenutzt“, beklagt die in Wilhelmsburg lebende Musikerin Renee de la Prade und fordert eine angemessene Bezahlung.
„Den Menschen, denen ich erzähle, was ich als Gage bekomme – 50 Euro – sind fassungslos“, kritisiert de la Prade. Was ist für sie eine normale Bezahlung? „Bei kleineren Festivals rechne ich mit 250-300 Euro pro Musiker. Bei mittelgroßen Festivals würde ich 500 Euro pro Musiker verlangen. Und bei größeren Festivals verlange ich für meine Band etwa 5.000 Euro Gage.“
Die Veranstalter hätten sogar lieber viel Geld für eine App ausgegeben, statt die Künstler besser zu bezahlen. „Das stimmt nicht, es gibt keine App für 30.000 Euro“, teilt Elinor Lüdde (Bürgerhaus Wilhelmsburg, hier ist das Projekt ‚Musik von den Elbinseln‘ angedockt) mit. „Auch wir wünschen uns, dass die Künstler in diesem Land besser bezahlt werden. Deshalb verstehen wir den Impuls von Renee de la Prade – aber wie sagt es sich so schön: Sie bellt unter dem falschen Baum. Renees Forderungen betreffen die kommerziellen Festivals und Veranstaltungen – nicht uns.“
Wie läuft die Bezahlung in diesem Jahr? Die Musiker bei 48h Wilhelmsburg erhalten keine Gage, sondern eine Ehrenamtspauschale. Diesmal 80 Euro für Solo-Musiker. Ab einem Duo gibt es 60 Euro pro Person. Bei Gruppen/Bands ab fünf Personen liegt die Grenze der Ehrenamtspauschale bei 300 Euro. Diese Höchstgrenze gilt auch für Chöre und größere Kapellen.
Die Künstler lassen außerdem im Publikum einen Hut herumgehen. „Das Hutgeld am Ende des Konzerts kommt obendrauf und sorgt oft für einen angemessenen Bonus“, so Elinor Lüdde. In der Vergangenheit haben nach Auskunft der Veranstalter etwa ein Viertel der Musiker ihre Pauschale sogar an das Festival zurückgespendet.
Wie hoch ist der Etat für 48h Wilhelmsburg 2023? Der geplante Etat für das gesamte Jahr 2023 beträgt 266.140 Euro für das Gesamtprojekt des Netzwerkes Musik von den Elbinseln. Die veranstaltungsbezogenen Kosten von 48h Wilhelmsburg werden bei etwa 140.000 Euro liegen. Elinor Lüdde: „Davon sind 14.000 Euro Ehrenamtspauschalen für Musiker, das ist der zweithöchste Posten gleich nach der Veranstaltungstechnik.“
Weniger Künstler, dafür höhere Gagen – wäre das eine Möglichkeit? „Unser Anspruch ist es, allen, die wollen, die Teilnahme an 48h Wilhelmsburg zu ermöglichen. Nicht immer werden wir diesem Anspruch gerecht. Höhere Pauschalen für Musiker heißt leider auch, dass wir stärker auswählen müssen“, erläutert Elinor Lüdde. Nicht alle Anmeldungen für das diesjährige Festiaval können berücksichtigt werden.

Festival 48h Wilhelmsburg
Beim Wilhelmsburger Musikfestival treten Musiker und Musikerinnen, Profis und Amateure, die auf den Elbinseln leben, arbeiten oder wohnen, auf. Sie spielen oft draußen an ungewöhnlichen Orten – auf dem Dach einer Garage, im Garten eines Vereins, auf dem Marktplatz oder im Krankenhaus.
Zu hören und sehen sind alle denk- und undenkbaren, musikalischen Stile.
2014 wurde das Projekt mit dem Hamburger Stadtteilkulturpreis ausgezeichnet, 2018 war es Hamburger Landessieger beim Deutschen Nachbarschaftspreis.   AD

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