
In den 1970er-Jahren wurde der historische Altonaer Bahnhof abgerissen und durch einen Zweckbau ersetzt
Volker Stahl, Altona
Den Ersten und den Zweiten Weltkrieg hatte er mit einigen Blessuren heil überstanden: der alte Altonaer Bahnhof von 1898. Allerdings nicht die Abrisswut der 1970er-Jahre. Zwischen 1974 und 1976 wurde das von dem Geheimen Ober-Baurat Hermann Eggert (1844-1920) und dem Baurat Ernst Schwartz – der auch an der Planung für den Dammtorbahnhof beteiligt war – im „neugotisch-viktorianischen“ Stil entworfene Empfangsgebäude abgerissen. An Stelle des „preußischen Bahnhofs“ entstand ein moderner Zweckbau in Betonoptik. „Kaufhaus mit Gleisanschluss“, spotteten Zeitgenossen, denn in den Neubau zog eine Filiale der Kaufhof AG ein, die aber schon vor Jahren diesen Standort aufgab. Anschließend folgte ein MediaMarkt.
„Mit seiner Eleganz und Großzügigkeit entsprach es (das alte Bahnhofsgebäude, d. Red.) noch dem Typ der großen Kathedralen des Verkehrs, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in vielen europäischen und amerikanischen Metropolen errichtet wurden und heute als Sehenswürdigkeiten geschätzt werden“, kommentierte Jahre später der Kritiker Matthias Gretzschel fast schon wehmütig das Verschwinden des architektonischen Kleinods der wilhelminischen Ära. Wohl nicht zufällig erinnerte der Altbau mit seinen Türmchen und Erkern an das Altonaer Wappen.
Der Kaufbahnhof unterstreicht einmal mehr die Geschichtslosigkeit des Altonaer Stadtzentrums
Hanna Vollmer Heitmann,
Autorin
„Der zweistöckige Nachfolgebau von 1979 ist dagegen eine trostlose Betonorgie, ein schmerzhaft provinzielles Architekturexempel, das noch dazu schlampig ausgeführt wurde“, rügte der Autor. Ein anderer Kritiker sprach von „Mittelmaß gängiger Moderne“. Und die Autorin Hanna Vollmer Heitmann urteilt in dem Band „Altona und Ottensen“ 1993: „Der Kaufbahnhof unterstreicht einmal mehr die Geschichtslosigkeit des Altonaer Stadtzentrums.“
1844 entstand der erste, der „dänische Bahnhof“
Dabei war der alte Altonaer Hauptbahnhof schon der zweite in der einst selbstständigen Stadt, die bis 1864 unter Verwaltung des dänischen Königreichs stand und von Kopenhagen aus regiert wurde. Bereits 1844 entstand in Höhe der Palmaille der erste, der „dänische Bahnhof“. Auf dem heutigen Platz der Republik lagen noch Eisenbahngleise, zogen Dampflokomotiven ihre Last. Aus diesem Bahnhof wurde durch einen Umbau das heutige repräsentative weiße Altonaer Rathaus, das 1898 eingeweiht wurde. Die Gleise verschwanden, und es entstand die Parkanlage, wie wir sie kennen, davor der „Kaiserplatz“, der nach Ausrufung der Republik 1918 zum „Platz der Republik“ wurde.
Ein Abrissargument: Bau des S-Bahntunnels
Noch heute ist unklar, warum der 1898er-Bahnhof aus dem Stadtbild verschwinden sollte. Laut einer Broschüre des Stadtteilarchivs Ottensen gab es Planungen für eine City-West nach dem Vorbild der „City-Nord“. Demzufolge sollte zwischen „Neu-Altona“ mit der Neuen Großen Bergstraße und der „City-West“ mit der Ottenser Hauptstraße eine Verbindung geschaffen werden, bei der ein Teil des alten Bahnhofs im Weg war. Doch aus dem ehrgeizigen Vorhaben wurde bekanntlich nichts.
Statt dessen fiel der historische Altbau der neuen City-S-Bahn Hamburg zum Opfer. Diese unterirdisch angelegte Strecke verbindet seit 1979 Altona mit der Innenstadt. Abrissargument: Der alte Bahnhof hätte den Erschütterungen bei der Anlegung des S-Bahn-Tunnels nicht standgehalten. Doch schon bald beklagten Denkmalschützer die Zerstörung des historischen Stadtbilds im Zentrum von
Altona.