Wolfgang Wittenburg, Finkenwerder. Das Kloster der Karmelitinnen in Finkenwerder wird geschlossen. Es fehlt an Nachwuchs. Noch leben zwei Schwestern im „Karmel von der Menschwerdung“, für den Fortbestand müssten es vier weitere sein.
„Trotz intensiver Bemühungen ist es nicht möglich gewesen, die Gemeinschaft personell auf eine notwendige Grundlage zu stellen“, teilten die Schwestern Maria und Miriam in einem Brief an Freunde und Bekannte mit. Die Karmelzelle am Norderkirchenweg war am 1. Advent 1999 vom Kloster im hessischen Hainburg aus gegründet worden.
Als vor zwei Jahren Schwester Veronika (95) verstarb und gerade mal sechs Wochen später die Mitbegründerin und langjährige Priorin Schwester Teresa (83), da zogen dunkle Wolken über der Glaubensgemeinschaft auf. Zumal auch Schwester Katharina (55) krankheitsbedingt nicht länger in dem idyllischen Kloster leben konnte.
„Man findet einfach keinen Nachwuchs! Es wäre ein kleines Wunder gewesen“, sagt Schwester Miriam. „In diesen Zeiten tut sich Frau schwer damit, so eine Entscheidung zu treffen und Nonne zu werden. Deshalb mussten wir im letzten Jahr die Reißleine ziehen“, ergänzt Schwester Maria, die seit acht Jahren in Finkenwerder aktiv und seit Oktober 2017 Vorsteherin des Klosters ist.
Was jetzt mit der Klosteranlage, zu der eine Kirche, ein Gemeinde- und ein Gästehaus und das frühere Pfarrhaus, das nun die verbliebenen Nonnen bewohnen, gehören, geschieht, ist noch offen. Vielleicht müssen sich Schwester Miriam und Schwester Maria noch drei bis vier Jahre kümmern.
„Grundsätzlich ist es nicht üblich, sich zur Ruhe zu begeben“, erklärt die aus einem Dorf bei Sigmaringen (Baden-Württemberg) stammende Schwester Miriam. „Sondern eine Nonne schaut, wo sie ihren Platz im Orden findet. Der Vorteil ist, man kann tun, was man gerne macht. Der Nachteil ist aber auch, man fühlt sich verpflichtet – gerade wegen der Nachwuchssorgen.“ Für Schwester Miriam steht bereits fest, dass sie in den Karmel Kirchzarten (bei Freiburg im Breisgau) wechselt. Schwester Maria möchte ihre nächste Oberin um ein Sabbatjahr bitten und sagt: „Für mich steht erst einmal Trauerarbeit an!“ Wohlgefühlt haben sich die Schwestern auf Finkenwerder immer, und sie tun es bis heute. Eine Besonderheit wird stets der weltoffene Umgang mit dem Katholizismus in Hamburg bleiben.
„Wir haben als erzkatholische Nonnen auf einer protestantischen Halbinsel gelebt – und das ist und bleibt einmalig“, sagen beide. Die Verabschiedung der letzten Finkenwerder Klosterschwestern findet im Rahmen eines Vesper-Gottesdienstes mit Erzbischof Stefan Heße am Sonnabend, 11. Juni, um 17 Uhr, statt.
Um vorherige Anmeldung wird gebeten: per E-Mail an karmelhh@web.de oder unter Tel 742 14 375
Vier Fragen an die Ordensschwestern
Was verbinden Sie mit Hamburg und Finkenwerder, was bleibt für Sie?
Schwester Maria: „Die Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft der Finkenwerder, verbunden mit einer großen Offenheit und Toleranz, die uns in unserer doch etwas ungewöhnlichen Lebensform voll akzeptiert und uns gleichzeitig auch den Freiraum gelassen haben, den wir brauchten. Zudem bleibt die Erfahrung einer weltoffenen Stadt und eines ebenso weltoffenen Katholizismus, der durch seine Diaspora-Situation in der Entwicklung so manchen katholischen Gegenden voraus ist.“
Wie sieht Ihr Alltag im Kloster aus? Was ist wie „draußen“, was nicht?
Schwester Miriam: „Alles, was es ,draußen‘ gibt, gibt es auch innerhalb einer Klostergemeinschaft, weil wir Menschen sind, die unsere Ecken und Kanten und Fähigkeiten überall hin mitnehmen. Der Unterschied ist unser geregelter Tagesablauf und die ausschließliche Ausrichtung auf Gott, wozu die regelmäßigen Gebetszeiten dienen. Ich finde, alles was ich tue, macht Sinn, ob ich nun die Liturgie vorbereite, ein Gästezimmer putze oder im Garten Unkraut jäte. Gespräche mit Menschen, die ich über eine Wegstrecke begleiten durfte, sind mir besonders kostbar.“
Warum mussten Sie den Eintritt ins Kloster nie bereuen?
Schwester Maria: „Das ist eine gute Frage – zum Teil ist das sicher einfach ein Geschenk. Es hat aber auch damit zu tun, dass ich schon zuvor sehr intensiv mit Gott unterwegs gewesen war und mich bemüht hatte, aus der Beziehung mit Jesus Christus heraus mein Leben zu gestalten, und dann natürlich auch diesen Schritt mit ihm gegangen bin.“
Schwester Miriam: „Ich bin 1996 im Karmel in Hainburg eingetreten. Das war eine Entscheidung, die lange gereift war, seitdem mir die Beziehung zu Gott immer wichtiger geworden war. Beruf und ,normales‘ Leben waren mir einfach zu wenig, und ich hatte eine Sehnsucht nach mehr. Das ist auch nicht enttäuscht worden.“
Was wünschen Sie der Karmelzelle, dem Kloster und den Menschen auf Finkenwerder?
Schwester Maria: „Den Menschen hier wünsche ich, dass sie das Wesentliche im Blick behalten, das, was im Leben am Ende wirklich zählt. Und wenn das geistliche Leben hier in unserem derzeitigen Kloster weitergehen könnte, würde mich das sehr freuen! Für uns beide wünsche ich mir, dass wir unseren Weg gut finden. Ich denke noch längst nicht daran, mich endgültig zurückzuziehen – ich bin 55 und gespannt, was der liebe Gott noch mit mir vorhat.“
Schwester Miriam: „Es wäre schön, wenn der Ort als geistlicher Ort in irgendeiner Art und Weise erhalten bliebe. Die räumliche Nähe zur City und doch das Ländliche von Finkenwerder sind ein idealer Ort, um aufzutanken, zur Ruhe zu kommen, seine eigene Sehnsucht wieder zu spüren. Den Menschen auf Finkenwerder wünsche ich, dass sie ihrer Sehnsucht nach Frieden, Miteinander und Geborgenheit trauen und sich weiterhin dafür einsetzen. Und ich wünsche mir, dass sie uns nicht so schnell vergessen, wie wir sie auch im Herzen mitnehmen werden.“