Neues vom Nachbarn – Wochenblatt-Kolumne von Oliver Lück
Ich erinnere mich noch gut an unseren amerikanischen Austauschschüler. Es war Mitte der 80er Jahre, ich elf oder zwölf. Und Marc (17) lebte für ein Jahr in meiner Familie. Meine Mutter sprach kein Englisch damals, lernte aber schnell dazu. Einmal bat sie ihn, mit folgenden Worten etwas aus der Küche zu holen: „Marc, please go and hol the long green Ding.“ Natürlich verstand er, lief sofort los und kam mit der Gurke zurück. Noch schöner der Satz, der eines Morgens am Frühstückstisch fiel – meine Mutter: „Please egg, but no speck!“
Wo wir nun auch schon beim Thema wären: Ostern. Und: Eier natürlich. Der Satz „Please egg, but no speck!“ kommt bei uns seit 30 Jahren am Ostersonntag auf den Tisch. Und meine Mutter kennt bis heute alle Tricks, wenn es ums Ei geht.
So sollte es vor dem Kochen unbedingt Zimmertemperatur haben, sagt sie, dadurch bekommt es keinen Sprung. Salz oder Essig im Wasser helfen dabei, dass es nicht platzt. Und ganz wichtig: Jedes Ei schält sich gleich nach dem Kochen am schwersten. Je älter es ist oder je länger es gekocht im Kühlschrank liegt, umso besser geht die Schale ab. Auch mit kaltem Wasser abschrecken, hilft da gar nichts. Sagt meine Mutter.
Viereinhalb Minuten, das Eigelb noch flüssig, das Eiweiß gerade fest – so isst mein Vater übrigens sein Frühstücksei. Meine Mutter: Zehn Minuten, steinhart. Die alles entscheidende Frage ist aber eine andere: Köpfer oder Klopfer? Daran sind bereits viele Ehen zerbrochen. Ich: Klopfer. Weil ich mir gerne mal ein Ei-Brot mache.
Und jetzt noch der Frischetest: Wenn man das Ei ans Ohr hält und schüttelt, sollte es nicht schwappen und kein dumpfer Laut zu hören sein. Bei einem frischen Ei hört man nichts! Wusste schon meine Oma. Frisch ist ein Ei klar und durchsichtig. Der Schwimmtest in einem Liter Wasser mit 100 Gramm Salz geht so: Ein frisches Ei geht unter. Etwa sieben Tage alte Eier gehen unter und stellen sich am Boden auf. Zehn Tage alte Eier schwimmen oben. Und wer das für eine Spielerei mit Ei hält, der kann ja gerne mal, please, mit meiner Mutter sprechen. But: No Speck!

Oliver Lück
… ist Journalist und Buchautor. Jede Woche erzählt er an dieser Stelle von seinen Beobachtungen und Begegnungen. Aktuell im Handel sind von ihm:
Der Strandsammler
(Rowohlt Verlag, 144 Seiten)
Buntland – 16 Menschen,
16 Geschichten
(Rowohlt Verlag, 256 Seiten plus 32 Fotoseiten)