Grafik: Aktionsbündnis Alte Süderelbe

Olaf Zimmermann, Süderelbe. Seit das Forum Tideelbe vorgeschlagen hat, die Alte Süderelbe wieder an die Tideelbe anzuschließen, ist die Empörung bei Anwohnern und örtlichen Verbänden groß. Um die Bürger über den Sachstand zu informieren, hat auf Initiative der Stiftung Lebensraum Elbe ein so genannter „Bürgerdialog“ stattgefunden. Online, via Zoom, mit rund 70 Teilnehmern. Das Ergebnis nach 90 Minuten: Wütende, empörte Bürger.
Rund anderthalb Stunden hatten sich die Bürgerschaftsfraktionschefs Dirk Kienscherf (SPD) und Dominik Lorenzen (Grüne) mit Elisabeth Klocke (Vorstand Stiftung Lebensraum Elbe) unterhalten. Bürger konnten Fragen per Chat stellen – was sie auch eifrig taten, aber nur selten Antworten erhielten.
Statt dessen sei in „schulmeisterlicher Art über die Notwendigkeit der vertieften Prüfung der Öffnung referiert worden“, heißt es in einer Stellungnahme des Aktionsbündnis Alte Süderelbe. „Dass als Fakten deklariert wurde, was in Wirklichkeit nicht der Wahrheit entspricht, überraschte bei dieser Veranstaltung dann schon fast nicht mehr. Die Kritikpunkte des Aktionsbündnis:
– „So wurde behauptet, dass eine Öffnung der Alten Süderelbe eine der wenigen Maßnahmen ist, die zur Schaffung von Flutraum geeignet sei. Falsch, denn die Öffnung von Nebenelben an der Unterelbe ist bisher noch gar nicht geprüft worden.
– Behauptet wurde auch, dass zum Hochwasserschutz Retentionsräume benötigt würden und die Alte Süderelbe dafür besser geeignet sei als die Dove Elbe. Auch das ist falsch, im Gegenteil: Der notwendige Bau eines 65 Meter breiten Sperrwerks birgt erhebliche Risiken und würde eine Schwächung der ersten Deichlinie bedeuten. Auch Flutmauern und Spundwände im Binnenland können da keine Sicherheit bieten.
– Die Öffnung, so wurde behauptet, sei wichtig für das Sedimentmanagement zum Weiterbetrieb des Hamburger Hafens. Wie allerdings die Kreislaufbaggerei durch die Öffnung der Alten Süderelbe bewältigt werden soll – zumal diese nachgewiesen ohne ständige Unterhaltsbaggerei ebenfalls nach acht bis zehn Jahren vollkommen verschlickt ist – blieb unbeantwortet.“

Hintergrund
Nach der verheerenden Sturmflut 1962 wurde die Alte Süderelbe vom Hauptstrom der Elbe abgetrennt. Seitdem hat sich dieser Bereich zu einem Lebensraum vieler bedrohter Arten entwickelt. Das in Westerweiden und Finkenwerder Süderelbe aufgeteilte Gebiet steht komplett unter Naturschutz. Doch jetzt wird, um auch so die zunehmende Verschlickung der Elbe zu stoppen, über eine Wiederöffnung der Alten Süderelbe und damit über eine Zerstörung der Naturschutzgebiete diskutiert.
Anwohner und örtliche Verbände lehnen dies ab, haben bereits ein Aktionsbündnis gegründet. Sie sehen den Hochwasserschutz gefährdet und fürchten um die Sicherheit ihrer Häuser. Landwirte befürchten Auswirkungen für die Bewässerung ihrer Felder und Obstplantagen.
Umweltverbände können sich eine Wiederöffnung prinzipiell vorstellen.

Postwurfsendungen an 5.000 Haushalte
Der Bürgerdialog wurde vom Büro Superurban im Auftrag der Stiftung Lebensraum Elbe auf Ersuchen der Hamburgischen Bürgerschaft organisiert. 5.000 Haushalte wurden per Postwurfsendung eingeladen teilzunehmen. „Darüber hinaus wurde die Veranstaltung in drei Gesprächsgruppen, die in diesem Zusammenhang Ende Februar/Anfang März stattfanden, kommuniziert“, so Stiftungsvorstand Elisabeth Klocke.
Beim Bürgerdialog handelte es sich nach Auskunft der Stiftung formal um eine öffentliche Informationsveranstaltung, die weder gesetzlich vorgeschrieben noch ein freiwilliger Service der Stadt war. Ob die Stiftung weitere Infoveranstaltungen durchführen lassen wird, steht noch nicht fest.

Stellungnahme André Trepoll (CDU-Bürgerschaftsabgeordneter Süderelbe):
„So führt man keinen Dialog! Offensichtlich war dies nur eine Alibi-Veranstaltung von Rot-Grün, damit man sagen kann, die Bewohner wurden angehört. Es wird immer deutlicher, dass Rot-Grün dieses Naturparadies Alte Süderelbe auch gegen den Widerstand der Anwohner zerstören will.
Der gesamte Süderelberaum wird gegen die Öffnung der Alten Süderelbe protestieren. Neben der Hochwassergefahr sind es vor allem umweltpolitische und auch wirtschaftliche Aspekte, die deutlich gegen dieses Vorhaben sprechen. Die Risiken einer offenen Alten Süderelbe überwiegen klar die angeblichen Vorteile, denn dadurch erhöht sich nicht nur die Überschwemmungsgefahr zulasten von über 70.000 Menschen, sondern es droht insbesondere die Vernichtung sensibler Flora und Fauna. Ganz zu schweigen davon, dass etliche Betriebe im Alten Land dann nicht mehr auf natürliche Wasser-Ressourcen zurückgreifen können und von Insolvenz bedroht sind!“

Stellungnahme Gudrun Schittel (Grüne-Bürgerschaftsabgeordnete Süderelbe):
„Die Veranstaltung “ Bürgerdialog“ zu nennen ist gänzlich unpassend. Die Bürger*innen konnten nur schriftlich im Chat Fragen stellen, die zum größten Teil nicht beantwortet wurden. Bekannte Fakten wurden referiert, ohne dass ein Gespräch und eine inhaltliche Diskussion ermöglicht wurde. Solch in Format ist nicht für eine Bürgerbeteiligung geeignet . Wenn man ein digitales Formst wählt, muss man die Leute zu Wort kommen lassen.
Die Öffnung der Alten Süderelbe ist bereits vom Forum Tideelbe bewertet worden. Die Ergebnisse zeigen, dass wertvolle Naturschutzgebiete, die Alte Süderelbe und die Westerweiden geopfert werden müssten. Eine zweite Deichlinie müsste mit Spundwänden und Erddeichen müsste errichtet werden, und ein 65 Meter breites Sperrwerk am Storchenestsiel. Das wären riesige Baumaßnahmen. Der Hochwasserschutz der ganzen Region wäre gefährdet.
Die Öffnung hätte keinen nachhaltigen Effekt. Nach acht bis zehn Jahren wäre die Alte Süderelbe verschlickt und hätte keine positive Wirkung mehr auf das Tidegeschehen. Dazu muss man nur einen Blick auf das Mühlenberger Loch werfen. Dort gibt es in einigen Jahren nur noch Schlick.
Obstbau und Wasserwirtschaft im Hamburger Alten Land wären in Gefahr. Die Landwirtschaft hätte keine Zukunftsperspektive mehr.
Die Kosten der Öffnung betragen mindestens eine Milliarde Euro. Zusätzlich müsste die Stadt Hamburg die Kosten für die Öffnung der Haseldorfer Marsch übernehmen, die ebenfalls auf eine Milliarde Euro geschätzt werden. Das macht die Planung völlig unrealistisch.
Wir brauchen keine neue teure Machbarkeitsstudie, sondern andere Lösungen für die Tideelbe. Die Elbvertiefung ist gescheitert und ökologisch und ökonomisch ein Desaster. Wir stehen zum Hamburger Hafen, aber die größten Containerschiffe der Welt müssen nicht den Hamburger Hafen anlaufen. Wir brauchen die Hafenkooperation mit Bremen und Wilhelmshafen und eine lebendige Tideelbe.“

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