
Ch.v. Savigny, Wilhelmsburg. In Wilhelmsburg bekommt man eine Sozialwohnung auch weiterhin ohne einen entsprechenden Wohnberechtigungsschein. So hat es die Stadtentwicklungsbehörde (BSW) beschlossen, die kürzlich die sogenannten Freistellungsgebiete um weitere vier Jahre verlängert hat.
In diesen Wohnvierteln dürfen Sozialwohnungen auch an Haushalte vermietet werden, deren Einkommen über den eigentlich für geförderten Wohnraum geltenden Grenzen liegen. In der Hansestadt gibt es vier Freistellungsgebiete: Zwei davon wurden verkleinert – die Elbinsel gehört allerdings nicht dazu. „Mit den Freistellungsgebieten ermöglichen wir mehr soziale Durchmischung in Quartieren, die ursprünglich sehr stark vom geförderten Wohnungsbau geprägt waren“, sagt Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeld.
Kritik vom Mieterverein und der Diakonie
Die Fortsetzung des Projekts, das es unter anderem den Baugenossenschaften (Saga, Bauverein Reiherstieg) ermöglicht, geförderten Wohnraum auf dem freien Wohnungsmarkt anzubieten, sorgt auch für Kritik: So forderte die Diakonie Hamburg bereits Ende letzten Jahres deren Abschaffung. „Wir appellieren seit Jahren an den Senat, die Versorgung von Wohnungsnotfällen zu verbessern, ohne dass durchgreifende Maßnahmen getroffen werden“, so Diakonie-Chef Dirk Ahrens. „Das Auslaufen der Freistellungen wäre der schnellste, einfachste und kostengünstigste Weg, die Situation von kinderreichen Familien, älteren Menschen, Rollstuhlfahrer*innen und anderen Menschen in Wohnungsnot zu verbessern.“
Der Mieterverein zu Hamburg weist darauf hin, dass Hamburg zu Beginn des Projekts in der 1970er Jahren noch knapp 400.000 Sozialwohnungen hatte. Diese Zahl sei bis heute auf weniger als 80.000 geschrumpft, obwohl in der Zwischenzeit mehr als 200.000 Menschen zugezogen seien.
Die Wilhelmsburger Politik will der Angelegenheit mehr Zeit geben: „Dass die soziale Durchmischung bei uns nicht funktioniert haben soll, kann man so nicht sagen“, meint der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Michael Weinreich. Viele, vor allem jüngere Menschen lebten noch nicht so lange im Stadtteil. „Bis die vom Sozialmonitoring erfasst werden, kann es noch zehn oder 15 Jahre dauern.“
Laut Sonja Lattwesen (Grüne) ist die Freistellung eher ein Mittel, um die Mieter im Stadteil zu halten. „Wer eine günstige Wohnung hat, behält sie auch. Die Fluktuation ist meiner Erfahrung nach sehr gering“, sagt sie.