Jupp Derwall (1927-2007) war bei der Fußball EM 1984 Coach der deutschen Elf. Foto: Wikipedia.org

Neues vom Nachbarn – Wochenblatt-Kolumne von Oliver Lück

Es war das Jahr, in dem die erste E-Mail Deutschland erreichte. Mark Zuckerberg und Bastian Schweinsteiger wurden geboren. Im indischen Bophal starben mehr als 4.500 Menschen beim bis heute größten Giftgasunfall in einer Chemiefabrik. Modern Talking wurde gegründet. Es war 1984. Und die schönste Zeit des Jahres hatte begonnen: sechs Wochen Sommerferien.

Ich war zehn. Und in Frankreich sollte die Fußball-Europameisterschaft stattfinden. Deutschland war damals Titelverteidiger. Und ich reiste mit meiner Familie zum allerersten Mal nach Frankreich.

Doch als unser dreiwöchiger Urlaub begann, stand es gar nicht gut um Rummenigge & Co. Vielleicht lag es daran, dass Jupp Derwall, der Bundestrainer mit der Quadratbrille und den Haaren aus Silber, der später den Ehrendoktortitel der Universität Ankara erhalten und in seiner Heimatstadt Würselen bei Aachen sogar eine Straße mit seinem Namen bekommen sollte, Steinzeitfußball spielen ließ. Vielleicht lag es aber auch daran, dass die anderen einfach besser waren.

Derwall und die Deutschen schieden schon in der Vorrunde aus. Gegen Portugal (0:0) und Spanien (0:1) war nicht viel zu holen gewesen. Gegen Rumänien hatte es immerhin zu einem knappen 2:1 durch zwei Treffer von Tante Käthe gelangt. Und als wir in den ersten Familienurlaub im Ausland aufbrachen, war eigentlich alles schon vorbei.

Wir hatten kein Auto damals. So waren es zwei lange Tage und eine kurze Nacht im D-Zug bis nach Montpellier. Und fünfmal umsteigen: zweimal in Hamburg, dann Köln, Paris und Lyon. Wir waren zu fünft und hatten 16 Gepäckstücke. Ich weiß noch, wie in Paris auf dem Nachbargleis der damals schnellste Zug der Welt stand: ein TGV. Ein orangefarbener Blitz, der mit 260 Kilometern in der Stunde durch Frankreich fliegen konnte. Damals unvorstellbar schnell. In Deutschland fuhren nur D-Züge.

Als wir das Mittelmeer erreicht hatten, war es tagelang furchtbar heiß. 35 Grad und mehr. Kein Wind. Das kannten wir als Schleswig-Holsteiner gar nicht. Über eine befreundete französische Familie hatten wir eine Ferienwohnung in Frontignan bekommen, einem Badeort, in dem damals nur Franzosen Urlaub machten. Und wir. Wir sprachen aber kein Französisch. Und niemand außer meinen Brüdern verstand Englisch.
Fortsetzung folgt …

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