Ein Ort mit Geschichte, die jetzt erst aufgearbeitet wird: Das Gebäude der Ganztagsgrundschule Sternschanze in der Ludwigstraße. Foto: ms

Von Mateo Schneider. Für Touristen, die sich auch für die Nebenstraßen des Schanzenviertels interessieren, ist das Gebäude der Ganztagsgrundschule Sternschanze in der Ludwigstraße eine Anlaufstelle. Viele Nachbarn wissen: Vor deren Errichtung 1896 befand sich auf dem gartenartigen Gelände seit 1874 die erste Ausstellungsfläche Carl Hagenbecks für wilde Tiere. Einigen fallen auch noch die goldenen Buchstaben über den beiden Eingängen auf: „Knaben-Schule“ und „Mädchen-Schule“ für die damals nach Geschlecht getrennten Schulen. Nur wenige wissen aber, dass sich hinter diesen Eingängen noch ganz andere Geschichten verbergen.

2.000 Zwangsarbeiter gab es allein im Schanzenviertel

Zwischen Oktober 1943 und Mai 1945 musste das Gebäude als Lager für 400 italienische Militärinternierte und Gefangene aus den Niederlanden und Belgien herhalten. Von dort aus machten sich die Zwangsarbeiter täglich auf den Weg zu Montblanc im heutigen Gebäude der Volkshochschule, dem Fleischunternehmen Fett in der Schanzenstraße oder der Pianofortefabrik im Schulterblatt, die von den billigen Arbeitskräften profitierten. Schon am 15. und 19. Juli 1942 begannen an der Schule zwei Deportationen von insgesamt 1.700 Juden, die ins Ghetto Theresienstadt verschleppt wurden.

Mit einer virtuellen Kundgebung hat die Nachbarschaftsinitiative „Kein Vergessen im Weidenviertel“ nun an die düstersten Kapitel der Gebäudegeschichte erinnert. „Im Schanzenviertel waren in mehreren großen Lagern an die 2.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter kaserniert. Nachbarn konnten sie täglich sehen – schauten aber weg“, so Holger Artus, der Initiator der Kundgebung, bei der auch der italienische Generalkonsul Giorgio Taborri zugeschaltet war. Ein Vertreter der Schulbehörde fehlte allerdings, was Artus wütend macht. „Dass die Hamburger Schulbehörde auch aktuell zu der Schule im Schanzenviertel abtaucht und schweigt, ist ungeheuerlich und auch beschämend.“

Dabei gäbe es einiges aufzuarbeiten, was den Umgang der Behörden im Nachkriegsdeutschland mit alten Nazis im Schuldienst betrifft. Weder unter der ersten Nachkriegsdirektorin Emma Lange noch unter ihrer Nachfolgerin Ingrid Möller war die NS-Zeit ein Thema. Warum auch, beide waren NSDAP-Mitglieder und ohne Interesse an einer Aufklärung. Verantworten musste sich keines der insgesamt acht Parteimitglieder im Kollegium.

>> blog.holgerartus.eu

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here