Im Kohlekraftwerk Moorburg arbeiten über 150 Mitarbeiter. Foto: Ajepbah / Wikimedia Commons

Umweltsenator Jens Kerstan: „Gute Nachricht für den Umweltschutz“ – Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden: „Schwerer Fehler“

Olaf Zimmermann, Hamburg-Süd. Manche Entscheidungen sind nicht einfach zu verstehen. Das 2015 von Olaf Scholz feierlich in Betrieb genommene Kraftwerk Moorburg, eines der modernsten Kohlekraftwerke Europas, kann im nächsten Jahr vom Netz gehen – falls es nicht abgeschaltet in Reserve gehalten werden muss. Die Entscheidung darüber fällt bis Anfang März. Ursprünglich sollte das Kraftwerk bis 2038 am Netz bleiben. Das Kohlekraftwerk Wedel, ein 60er Jahre-Bau, der bereits 2013 stillgelegt werden sollte, kann dagegen mindestens bis 2025 weiterlaufen.
„Für den Klimaschutz eine gute Nachricht“, kommentierte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) und versicherte: „Niemand braucht Sorgen zu haben, dass Hamburg oder die Hamburger Industrie nicht ausreichend mit Strom versorgt wird. Es wird keine Blackouts geben.“
Hintergrund: Das dem schwedischen Konzern Vattenfall gehörende Kraftwerk in Moorburg besteht aus zwei steinkohlebefeuerten Blöcken mit jeweils 818 Megawatt Leistung. Der jährliche CO2-Ausstoß beträgt bei Volllast gut acht Millionen Tonnen – was dem Kohlekraftwerk schnell den Namen „Klimakiller“ einbrachte. Mit der ursprünglich vorgesehehen, aber politisch verhinderten Fernwärmeauskopplung hätte der Wirkungsgrad des Kraftwerks 60 Prozent betragen. So wurden nur knapp 46 Prozent erreicht. Zum Vergleich: Der Wirkungsgrad des Kraftwerks Wedel liegt bei 36 Prozent.
Spätestens nachdem vom Oberverwaltungsgericht die Entnahme von Kühlwasser aus der Elbe gekippt wurde – deswegen muss der kostenintensivere Kühlturm ganzjährig genutzt werden – entschied sich Vattenfall, das Kraftwerk Moorburg schnell loszuwerden und beteiligte sich an der ersten Auktion der Bundesnetzagentur zum Kohleausstieg. Dabei erhalten Kraftwerksbetreiber Entschädigungen, wenn sie Kohlekraftwerke vom Netz nehmen. Vattenfall bekam den Zuschlag.
„Jetzt werden wir die Planungen für die vorzeitige Schließung vorantreiben“, sagte Vattenfall-Deutschland-Chef Tuomo Hatakka. Im Kraftwerk Moorburg sind rund 150 Mitarbeiter beschäftigt. Für Umweltsenator Kerstan kann am Standort Moorburg zügig die „Energieversorgung der Zukunft“ beginnen. Moorburg ist wegen seiner Lage und Anbindung an Leitungen und Transportwege ein idealer Standort für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft.

Stimmen zur Stilllegung

Der Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden hält die Entscheidung, das Kohlekraftwerk Moorburg Mitte 2021 vom Netz zu nehmen, für einen schweren Fehler. „Das ist nicht ökonomisch, nicht ökologisch und nicht sozial“, sagt Arnold G. Mergell, stellvertretender Vorsitzender des Vereins. „Die Logik hätte geboten, ortsunabhängig zuerst die ältesten Meiler vom Netz zu nehmen.“

Stephan Gamm (CDU-Klimaschutzexperte): „Das effizienteste Kohlekraftwerke Europas abzuschalten, während das älteste und schmutzigste Kohlekraftwerke in Wedel auf unbestimmte Zeit weiterläuft, ist an Absurdität nicht zu überbieten.“

„Die baldige Abschaltung des saubersten Kohlekraftwerks der Republik bei Weiterbetrieb des dreckigsten Kohlekraftwerks der Republik bis mindestens 2025 ist ökologischer Irrsinn und Steuergeldverschwendung in einem“, sagt Sascha Mummenhoff (Bund der Steuerzahler Hamburg).

Andree Böhling (Klimaexperte Greenpeace): „Die Stilllegung Moorburgs ist das Mahnmal einer Ära irrationaler energiepolitischer Entscheidungen in Deutschland, die bis heute die erdrückenden Fakten der Klimakrise ignoriert. Erst (…) der Kohleausstieg setzt diesem Kurs ein Ende.“

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