Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg in ihrem Amtszimmer im Altonaer Rathaus. Foto: Bezirksamt Altona

Altonas grüne Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg im Interview zu Cornern und der Pandemie

Frau von Berg, am ersten Augustwochenende durfte in Teilen von St. Pauli, Ottensen und dem Schanzenviertel ab 20 Uhr kein Alkohol mehr verkauft werden. Angesichts des ausufernden Cornerns fragen sich viele Bewohner des Schanzenviertels warum dieses Verbot erst jetzt kam.
Stefanie von Berg: In den Bezirksämtern glauben wir grundsätzlich an die Vernunft der Menschen. An die haben meine Kollegen und ich jetzt lange appelliert. Es war Mitte Juli offensichtlich, dass dies nicht gefruchtet hat. Zunächst waren die Infektionszahlen mit null bis vier zum Glück sehr niedrig. Da wäre es sehr unwahrscheinlich, sich anzustecken, insbesondere im Freien. Für einen so starken Eingriff wie das Verkaufsverbot braucht man aber juristisch und in der Sache eine gute, belastbare Begründung, die in diesem Fall der Infektionsschutz ist. Nun verzeichnen wir steigende Zahlen. Wir haben mehr Reiserückkehrer und Touristen in der Stadt. Die Gefahr der Ansteckung ist eine reale, juristisch belastbare Tatsache, selbst im Freien. Deshalb war der Zeitpunkt gekommen.

Betroffen vom Verkaufsverbot sind auch Supermärkte?
Genau. Es sind alle Supermärkte, Kioske und Tankstellen in dem jeweiligen Gebiet von dem Verkaufsverbot betroffen. Und auch Gastronomiebetriebe, wenn sie den Außer-Haus-Verkauf anbieten. Die Gebiete, in denen die Verbote gelten, sind aufgrund der Lageberichte der Polizei so geschnitten worden Mir ist wichtig zu betonen, dass es nach wie vor nicht verboten ist, sich Alkohol mitzubringen oder sich draußen in die Gastronomietriebe zu setzen und dort etwas zu trinken. Feiern ist also erlaubt – aber mit Abstand und in Maßen.

Wenn die Coronakrise irgendwann vorbei ist, bleibt das Problem des Cornerns und der Ballermannisierung des Schanzenviertels.
Man muss das sehr sauber trennen. Die jetzigen Maßnahmen haben mit dem Infektionsschutz zu tun. Wir wollen auf jeden Fall eine zweite Welle vermeiden. Die zweite Geschichte ist das Cornern an sich. Das wollen und müssen wir gesondert angehen, gemeinsam mit der Bezirks- und Landespolitik. Wir haben vom Bezirksamt Altona aus das Projekt „Miteinander in der Schanze“ ins Leben gerufen. Da bildet das Cornern einen Teilaspekt, weil sich die Schanze ja sehr stark verändert und wir mehr Gemeinsinn stiften wollen. Wir werden mit Sicherheit nach einem Instrument suchen, um das Cornern nicht mehr so ausufern zu lassen, wie es im Moment ist. Ich kann die Anwohnerinnen und Anwohner wirklich gut verstehen. Wir reden von Menschen, die dort 30 Jahre oder länger wohnen. Das Viertel droht zu kippen. Menschen überlegen sich wegzuziehen. Ich weiß, dass die Stadt sich verändert. Damit könnten die Menschen auch leben. Aber wenn man nur noch Montag in Ruhe schlafen kann und an allen anderen Tagen lautes Gegröle und Musik bis morgens um drei zu hören sind sowie alles vermüllt ist, ist das nicht mehr hinnehmbar. Die Schanze und auch Ottensen sind nach wie vor Wohnviertel und ich möchte, dass die Menschen dort gut leben können.

Durch die „Piazza“ am Schulterblatt haben die Stadtplaner diese Situation möglicherweise erst geschaffen.
Das könnte sein. Ich habe immer überlegt, ob man das Schulterblatt nicht für Autos sperren sollte, weil die Autoposer ein großes Problem darstellen, insbesondere in Zeiten von Corona. Unter anderem klappen die Poser den Kofferraum ihres Autos auf, in dem Alkohol liegt und bauen eine mobile Bar auf. Die Frage ist aber, ob durch den neu entstehenden freien Straßenraum nicht noch mehr Leute kommen. Ich würde das aber gerne mal ein Wochenende lang in Absprache mit der Polizei und dem Quartier erproben.

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