
Gaby Pöpleu, Wilhelmsburg. „Insel der Menschlichkeit“ nennen die bisherigen Eigentümer, die katholische St. Bonifatius-Kirchengemeinde, das Krankenhaus Groß-Sand. Doch dem menschlichen Ansatz in der Medizin könnte es bald vorbei sein. Hohe Pensionsversprechen, alte Bausubstanz und wenige Privatpatienten im Stadtteil machen das 200-Betten-Haus – wie viele andere kleinere Häuser – unrentabel. Seit über einem Jahr versucht die Gemeinde, das Haus mit Hilfe des Erzbistums Hamburg zu verkaufen – ohne Erfolg. Droht der Klinik jetzt das Aus?
Die Krankenpflegeschule wurde schon geschlossen, weil wegen des neuen Pflegeberufegesetzes notwendige Modernisierungen und Erweiterungen zu teuer sind (das Elbe Wochenblatt berichtete). Auch vom finanziell knappen Erzbistum Hamburg ist kein Geld zu erwarten, das Erzbistum muss deshalb schon Schulen (das Elbe Wochenblatt berichtete) schließen. Offiziell hieß es noch im Frühjahr, man habe einfach noch keinen passenden Träger für das Krankenhaus gefunden. Gespräche mit dem – evangelischen – Agaplesion-Konzern laufen wohl noch. Eine Lösung ist aber noch nicht in Sicht.
„In Groß-Sand sind nicht mehr Managementfehler passiert, als anderswo. Der Fehler liegt im System“, sagt Dr. Manuel Humburg, der jahrzentelang als Allgemeinmediziner in Wilhelmsburg tätig war und sich heute im Verein Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg engagiert. „Gesundheitsvorsorge ist eine staatliche Aufgabe, die mit dem System der Fallpauschalen nicht funktionieren kann.“ Das gehe vielen kleineren Kliniken so.
In Groß-Sand sind nicht mehr Managementfehler passiert als anderswo
Manuel Humburg,
Verein Zukunft Elbinsel
Wie sollen 54.000 Wilhelmsburger in Zukunft medizinisch versorgt werden, wenn Groß-Sand dicht machen muss? Neben dem Verkauf des ganzen Hauses an einen Konzern geistern noch andere Möglichkeiten durch die Öffentlichkeit, zum Beispiel die Schließung und der Ersatz durch ein Medizinisches Versorgungszentrum MVZ. Angestellte Ärzte behandeln in einer ambulanten Großpraxis, ähnlich einer Poliklinik, vielleicht mit einer kleinen angeschlossenen Klinik oder einem vorgeschalteten Gesundheitskiosk. Diese Möglichkeit wird offenbar von der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen bevorzugt.
„Das wären keine Alternativen“ sagt Humburg, „Ein MVZ hatten wir schon mal. Das hat nach ein paar Jahren wieder zugemacht.“ Solange auch dieses möglichst viel Gewinn abwerfen müsse, funktioniere das in Wilhelmsburg nicht. Denn „hier wird viel gearbeitet, aber wenig verdient“. Ärzte und MVZ-Betreiber ließen sich lieber in reicheren Gegenden Hamburgs nieder. Schon jetzt gebe es viel zu wenig Ärzte, besonders Fachärzte seien knapp.
Außerdem: Das Krankenhaus Groß-Sand, in dem Humburg selbst einen Teil seiner Ausbildungszeit verbrachte, sei immer eine gute Möglichkeit gewesen, bei jungen Kollegen Interesse am Stadtteil zu
wecken. „Mancher hat dort Feuer gefangen und blieb“, erinnert er sich.
Die Wilhelmsburger SPD-Abgeordneten Metin Hakverdi (Bundestag), Michael Weinreich (Bürgerschaft) sowie Kesbana Klein, Fred Rebensdorf und Ali Kazanci (alle Bezirksversammlung) sehen in einer gemeinsamen Stellungnahme das Erzbistum in der Pflicht: „Das Erzbistum hat es bisher versäumt, der Öffentlichkeit oder der Politik ein Konzept vorzustellen, wie die Zukunft des Krankenhauses aussehen soll. Hier erinnert das Vorgehen an das intransparente Vorgehen bei der Schließung der katholischen Schulen. Grundsätzlich sind Polikliniken ein wichtiges Modell, aber die SPD-Wilhelmsburg will Groß-Sand als Krankenhaus erhalten und nicht nur einen Gesundheitskiosk haben.
Jetzt ist das Bistum als Eigentümer gefragt, seine Pläne endlich den Beschäftigten des Krankenhauses, der Politik und den Menschen im Stadtteil vorzustellen.“
Vom Erzbistum und der Gesundheitsbehörde war bis zum Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu bekommen.
So funktioniert ein „Gesundheitskiosk“
Die Idee „Gesundheit aus dem Kiosk“ klingt zunächst befremdlich. Gemeint ist eine Beratungsstelle, in der man sich kostenlos und ohne Termin in vielen Sprachen in Sachen Gesundheit von medizinischem Personal beraten lassen kann. Ärzte sind nicht vor Ort. Die Behandlung von Krankheiten und Verletzungen muss dann in herkömmlichen Arztparaxen und Krankenhäusern stattfinden.
Ziel des Gesundheitskiosks ist es, die „Gesundheitskompetenz der Einwohner zu stärken“, quasi vorzusortieren und Hinweise zu geben, ob und welcher Arzt helfen könnte..
Dazu gibt es Kurse rund um einen gesunden Lebensstil, zum Beispiel zu Ernährung, Sport, Entspannung, Pflege.