Bernd Goerke arbeitet seit 30 Jahren bei Reifen Berweger: Hier werden Reifen und Felgen in einer Waschmaschine auf Hochglanz gebracht.

Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe unseres Magazins „Binnenhafen live“

 

Seit knapp 40 Jahren handelt Reifen Berweger mit Autoreifen

SABINE LANGNER, HARBURG. Schweißperlen bilden sich auf der Stirn der jungen Frau in einem neuen weißen Mercedes, als sie durch die Toreinfahrt von Reifen Berweger fährt. Die Zufahrt zu Werkstatt und Reifenhandel hat es in sich: klein, eng, und es stehen Stahlträger, die das Dach halten, im Weg. Im rechten Winkel gehen vom Hof die Werkstatträume ab. „Es dauert eine Weile, aber wenn man hier zwei Monate gearbeitet hat, kann man Auto fahren. Und man kann jedes Auto überall rangieren“, grinst Werkstattmeister Dennis Lewens.
Die Frau hat Glück – sie braucht nur neue Sommerreifen. Das geht mitten auf dem Hof blitzschnell. Ein Mitarbeiter fährt das Auto auf eine Hebebühne, hebt den Wagen ein paar Zentimeter an. Dann greifen drei Mitarbeiter routiniert zu den Werkzeugen, lösen die Radmuttern, zack, zack, so geht Boxenstopp in Harburg. Nur zehn Minuten später sitzen die neuen Reifen fest, die alten liegen in Plastiktüten verpackt auf dem Rücksitz, und die Kundin kann wieder losfahren.

Auf einem Dachboden werden die neuen Reifen und die der Kunden gelagert.
Fotos: sabine langner

1976 hat Hans-Dieter Berweger seinen Reifenhandel gegründet. Erst in der Hannoverschen Straße, später in der Marienstraße, bis 1981 der heutige Standort am Karnapp gefunden wurde. Hans-Dieter Berweger war schon immer ein Autonarr. In den 1960er Jahren ist er selber Autorennen gefahren. Später machte er sich mit dem Reifenhandel selbstständig. Er wollte auch nie etwas anderes machen. „Er hat immer gesagt: ‚Wenn man einmal in die Gummikiste gefallen ist, kommt man da nicht mehr ‘raus.‘“, erinnert sich Bernd Goerke, der seit mehr als 30 Jahren bei Reifen Berweger arbeitet.
Als Hans-Dieter Berweger sich 1999 in den Ruhestand verabschiedete, übernahm der heutige Eigentümer Nils Fischer, das Geschäft. Während im Rest des Binnenhafens überall neue Gebäude entstehen oder alte saniert werden, scheint hier am Karnapp 2-4 die Zeit still zu stehen. In den letzten 39 Jahren ist zwar reichlich neue Technik in das Gebäudeensemble eingezogen, aber baulich hat sich nichts verändert. Die neuen Reifen lagern immer noch auf einem Dachboden über dem Büro, erreichbar über eine enge, gewundene Treppe. Ein Seilzug befördert die Reifen durch eine Luke hinauf und hinunter. Die alten Reifen stapeln sich bis zur Abholung und Entsorgung meterhoch im Hinterhof.
Immerhin das Büro ist umgezogen. „Als der alte Herr Berweger noch hier war, hatte er seinen Schreibtisch mitten in der Werkstatt stehen“, erinnert sich Bernd Goerke. „Er fand das ganz gut, mitten im Geschehen zu sein. Einmal konnte er dadurch auch einen Dieb auf frischer Tat ertappen. Während wir dabei waren, die Reifen zu wechseln, versuchte ein Kunde unser Werkzeug im Auto zu verstecken. Da war der alte Chef aber schnell auf den Beinen. Dieser Kunde ist nie wieder gekommen.“
Alle anderen kommen sehr gern wieder – viele schon seit vielen Jahren. Vor allem seitdem die Firma zusätzlich zum Reifenhandel KFZ-Service und Reparaturen anbietet, haben die Mitarbeiter alle Hände voll zu tun. „Früher war die Zeit zwischen Sommerreifen und Winterreifen eine tote Zeit für uns“, berichtet Dennis Lewens. „Aber seitdem wir auch Werkstattarbeiten anbieten, schaffen wir die Arbeit kaum noch. Wir suchen händeringend neue Mitarbeiter, finden aber keine.“ Der Traumberuf für kleine Jungs, als KfZ-Mechaniker an Autos herum zu schrauben, scheint ausgeträumt.
„Ich weiß nicht woran es liegt“, sagt Dennis Lewens. „Vielleicht ist der Job zu schmutzig, oder es gibt zu wenig Geld, oder das Bild des Schraubers hat sich verändert, seitdem die neuen Autos immer mehr Elektronik verbauen. Wir könnten jedenfalls gut noch ein paar Mitarbeiter gebrauchen.“ Bernd Goerke glaubt, dass der Facharbeitermangel durch die schweren Arbeit entstanden ist. „Immer wieder fangen hier Leute an, die schon nach kurzer Zeit wieder aufgeben.“ Einer hat nur einen halben Tag durchgehalten und dann gesagt, die Reifen wären ihm zu schwer“, sagt er, schnappt sich zwei Reifen gleichzeitig, um sie in der Reifenwerkstatt von den Felgen zu lösen.

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