Melanie Mücher ist die Leiterin der Tagesaufenthaltsstätte für Wohnungslose (TAS) in der Nundesstraße. Foto: Dirk Andresen

Von Dirk Andresen. Es ist voll. Gerammelt voll. Menschen stehen vor dem Eingang der Tagesaufenthaltsstätte für Wohnungslose (TAS) in der Bundesstraße. Es ist Mittagszeit – und eigentlich gibt es hier auch eine Mahlzeit für die Ärmsten und Schwächsten in unserer Gesellschaft. Aber leider – und das selbst in Corona-Zeiten – auch nicht immer.

Natürlich auch für die Leiterin der von der Diakonie Hamburg betriebenen TAS, Melanie Mücher, ein echtes Problem. Aber leider auch nur eines von gleich mehreren schwerwiegenden Defiziten, die beim Kampf gegen die Folgen der Pandemie erheblich aufs Gemüt drücken.

„Wir haben uns nach einer sehr kurzen Zeit des Schocks und der Verwirrung, die durch Corona verursacht wurden, sehr gut und professionell aufgestellt“, so Mücher, „wir haben die Kapazitäten erhöht und organisatorisch viel auf die Reihe bekommen. Aber die Nachfrage nach unseren Angeboten ist enorm, vor allem nach Sozialberatung und einem Mittagessen. Wir haben einen erheblich größeren Zulauf als vor Corona.“

Wenig verwunderlich in Zeiten, in denen die eigenen vier Wände für die meisten Menschen zur Trutzburg gegen das Virus wurden. Für jemanden, der kein Zuhause hat, sind Einrichtungen wie die TAS eigentlich schon lebensnotwendig. Hier können die Obdachlosen sich waschen, haben eine feste Postadresse, bekommen Essen, können sich ausruhen, haben von Montags bis Freitags zwischen 11 und 15 Uhr eine Schutzzone, einen Rückzugsraum. Eigentlich. Der Schutzraum fällt momentan leider weg – ein Aufenthalt ist in den Räumen wegen der Abstandsregeln nicht möglich, zum Duschen und Post abholen werden die Menschen einzeln eingelassen, das Essen wird auf der Terrasse ausgegeben.

„Wir sind hier teilweise fast überrannt worden“, so Melanie Mücher. „Jeden Tag können wir hier mittags beispielsweise 150 Essen ausgeben. Aber die sind dann jetzt eben auch mal nach nur einer oder eineinhalb Stunden weg.“ Und einem Teil der Klientel brummt dann der Magen.

Aber es drückt auch an anderer Stelle. Der Ansturm auf Hamburgs Obdachlosen-Anlaufstellen deckte die Mängel im Krisenmanagement der zuständigen Behörden auf. Melanie Mücher: „Es wurde an vielen Stellen schnell und richtig reagiert. Aber es gibt auch erhebliche Probleme. Die medizinische Versorgung etwa: Trotz mehrerer Hilferufe vieler Praxen für Menschen ohne Krankenversicherung kam außer Schutzausrüstung keine Unterstützung von Sozial- und Gesundheitsbehörde. Für viele chronisch kranke Menschen eine Katastrophe. Da bin ich von der Stadt Hamburg wirklich enttäuscht.“ Viele Gäste der TAS sind in diesen Zeiten besonders einsam. Das Team leidet darunter, das nicht auffangen zu können. „Wir haben durch die vielen organisatorischen Aufgaben und die viel größere Nachfrage nach Beratung kaum noch Zeit, einmal persönliche Gespräche zu führen. Viele leiden ganz erheblich unter Einsamkeit, haben keinen mehr, der ihnen zuhört, ihre Probleme ernst nimmt oder sie auch ganz einfach mal tröstet.“

Es bräuchte mehr Platz und ein bis zwei Planstellen mehr, um eine umfassende, der Situation angemessene Betreuung zu leisten. Mücher: „Alle hier – und das ist eine der wirklich guten Botschaften in nicht einfachen Zeiten – arbeiten sehr engagiert und sind mit vollem Herzen dabei. Aber unsere Möglichkeiten sind beschränkt.“
Zumal der Zustrom durchaus auch international ist. Etwa ein Drittel der TAS-Nutzer kommt aus Deutschland, zwei Drittel aus anderen EU-Ländern, oft aus osteuropäischen Nationen wie Polen, Rumänien und Bulgarien.

Für Michael B., einen der regelmäßigen TAS-Besucher, der aus Hamburg kommt, leis-tet das Team von Melanie Mücher trotz aller Probleme Großartiges: „Hier wird einem wirklich geholfen. Wenn es Einrichtungen wie diese nicht gäbe, wäre es für viele von uns noch sehr viel schwerer. Und die Gewalt unter Obdachlosen wäre auch deutlich größer.“

1 KOMMENTAR

  1. Ich wohne nur ca.5 Minuten von der TAS entfernt , und nutze auch teilweise das Angebot zum Miiagessen , weil ich nur eine kleine Rente bekomme. Dafür bin ich auch sehr dankbar, und weis das auch zu schätzen. Ich werde dort immer freundlich von den Mitarbeitern empfangen und versorgt. Dafür bedanke ich mich bei allen.

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