
Christoph Busch und sein Team schenken im Zuhör-Kiosk den Geschichten der Menschen ihre Aufmerksamkeit
Dirk Andresen, Hamburg-West
Warum hört mir denn nie einer richtig zu? Diese sorgenvolle und oftmals auch schmerzliche Frage bedrückt gerade in Corona-Zeiten nicht wenige Zeitgenosssen. Und einer, der sehr gern und regelmäßig ein Ohr für Menschen mit dringendem Redebedarf hat, musste seine ungewöhnliche Location in Zeiten von Social Distancing schließen.
Der Zuhör-Kiosk „Das Ohr“ von Christoph Busch, ein kleiner Glaskasten zwischen den Gleisen der U-Bahnstation Emilienstraße in Eimsbüttel, machte wegen kaum einzuhaltender Sicherheitsabstände dicht.
Video-Chat ersetzt das persönliche Gespräch
Aber Busch und sein inzwischen 15-köpfiges Team starteten ihren „Lauschangriff der sanften Art“ jetzt erneut – und zwar im Netz. Im Online-Zuhörkiosk https://whereby.com/ zuhör-kiosk kann man sich nun per Video-Chat nicht nur die Sorgen von der Seelen reden, sondern einfach auch mal ganz Alltägliches im Gespräch mit einem Zuhörer, der ganz Ohr ist, loswerden.
Das Prinzip bleibt auch in digitaler Version das gleiche wie in dem von Busch seit zwei Jahren betriebenen Original-Kiosk. Montags bis Freitags von 12 bis 18 Uhr kann man auf dem neuen Portal einen entsprechenden Link anklicken und dann per Skype oder auch Facetime mit Christoph Busch oder einem seiner Mitstreiter per Bildschirm von Angesicht zu Angesicht ins Gespräch kommen.
Ich bin kein Seelsorger und auch kein Therapeut. Aber ich kann zuhören
Christoph Busch,
„Das Ohr“
Aber wer redet mit einem eigentlich wildfremden Menschen über seine Probleme, Alltagssorgen oder auch einfach nur Befindlichkeiten? Besonders einsame oder verzweifelte Menschen? „Das kommt natürlich nicht selten vor“, so Busch, „aber es sind oft auch sehr mutige Personen. Man darf nicht vergessen: Viele öffnen sich zunächst ja auch mal freiwillig für jemanden, den sie noch nie gesehen oder mit dem sie noch nie gesprochen haben. Ich höre viele Geschichten von Menschen, die es wirklich nicht einfach im Leben hatten, und die sehr tapfer sind und die selbst größte Schwierigkeiten gemeistert haben.“

Und wie hält Busch seinen ungewöhlichen Laden in finanziell für viele Leute schweren Zeiten eigentlich am Laufen? Die Gespräche sind schließlich kostenlos. Der Zuhör-Kiosk ist inzwischen ein gemeinnütziger Verein, wird beispielsweise von der Töpfer-Stiftung gefördert. Und Leute, die das Projekt gut finden, unterstützen es mit Spenden.
Aber was macht es mit einem selbst, wenn man so regelmäßig den Geschichten anderer Menschen lauscht? Traurigen, lustigen, einfachen, komplizierten, schmerzhaften, frustrierenden oder aber auch Mut machenden Geschichten? Und kann man mit zuhören wirklich helfen? „Ich bin kein Seelsorger“, sagt der 71-jährige Christoph Busch, von Beruf eigentlich Drehbuchautor, „und auch kein Therapeut. Aber ich kann zuhören, wenn jemand eben genau das braucht. Und auch ich kann dabei lernen. Richtiges Zuhören sensibilisiert. Es gibt nicht selten Dialoge fast schon auf freundschaftlicher Ebene. Die Gespräche sind vertraulich, man wird zum Freund für den Augenblick.“
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