Fälle häuslicher Gewalt nehmen, so befürchten Experten, in der Corona-Krise zu. Foto: Panthermedia

Abeba-Sium Kiflu leitet das Projekt „Stadtteile ohne Partnergewalt“

Karin Istel, Wilhelmsburg

Ein dumpfer Aufprall auf den Boden, dann ein Schrei aus der Nachbarwohnung. „Am besten ist es, als Nachbar jetzt zu klingeln und nach Milch oder Zucker zu fragen. Damit wird möglicherweise eine Gewaltsituation unterbrochen“, sagt Abeba-Sium Kiflu.

Sie ist die Leiterin des Projektes „Stadtteile ohne Partnergewalt“ (StoP) in Wilhelmsburg. „Und wenn der Schrei nur aus dem Fernseher kam, hat man ja nur nach Zucker oder Milch gefragt. Das ist besser, als nicht zu klingeln, und da wäre was. Außerdem bekommt die gewalttätige Person mit, dass die Nachbarschaft aufmerksam ist.“

Häusliche Gewalt ist nichts Besonderes im Alltag. „Gewalt in Partnerschaften oder Familien kommt im Stadtteil täglich vor, in allen gesellschaftlichen Schichten. Und in 80 Prozent der Fälle sind Männer die Täter“, weiß die Sozialarbeiterin. Das StoP-Projekt setzt dort an, wo Gewalt meist passiert: zu Hause, im Stadtteil. „Wir wollen die Männer und Frauen in der Nachbarschaft ermutigen hinzuschauen und sich im positiven Sinne einzumischen. Nachbarn sind nah am Geschehen, können schnell helfen. Wir vermitteln Wege, damit Nachbarn schnell Hilfe leisten können“, sagt Kiflu. „Viele meinen, Gewalt in der Partnerschaft ist eine Privatsache. Das stimmt nicht. Hier werden Menschenrechte verletzt. Das geht uns alle an, da darf man nicht wegschauen.“

Frauen, die geschlagen werden, haben oft Angst, offen darüber zu reden. „Meist aus Scham oder Unsicherheit. Hat eine Frau ein blaues Auge, sagt sie oft, sie sei gegen einen Schrank gelaufen“, so Gero Goroncy, Leiter der Beratungsstelle Casemir, in dessen Räumen am Rotenhäuser Damm das Stop-Projekt ansässig ist. „Man sollte die Aussage nicht in Frage stellen, sein Mitgefühl äußern und der Frau trotzdem einen Flyer des StoP-Projektes in die Hand drücken. So weiß die Frau, wo sie Hilfe bekommen kann.“

Kommt es in der Corona-Krise, während der die ganze Familie wochenlang in der Wohnung zusammen ist, zu mehr Gewalt? Kiflu: „Es gibt Familien, da funktioniert das Zusammenleben besser als zuvor, es gibt auch Familien, da läuft es schlechter. In jedem Fall haben geschlagene Frauen derzeit weniger Möglichkeiten, sich Hilfe zu holen, weil sie vielleicht nur beim Einkaufen allein sind und die Möglichkeit haben anzurufen.“

Aufmerksame Nachbarn, die zuhören, können Leben retten. „In Stadtteilen, in denen Frauen über Gewalt sprechen können, kommt es zu weniger Frauenmorde als in Stadtteilen, in denen darüber geschwiegen wird“, macht Kiflu deutlich.

In Wilhelmsburg ist Abeba-Sium Kiflu die Leiterin des Projektes „Stadtteile ohne Gewalt“, kurz: StoP. Sie möchte Nachbarn ermutigen, hinzuschauen und hinzuhören, wenn Frauen im eigenen Zuhause geschlagen werden. Foto: Istel

Stadtteile ohne Partnergewalt

Kontakt

Abeba-Sium Kiflu

Rotenhäuser Damm 58, 21107 Hamburg

Tel.: 730 86 59 80, Mobil 0163 986 88 85

www.stop-partnergewalt.org

 

Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen, Tel.: 08000 116 016

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