Am 4. März übergaben diese Hamburger im Rathaus die Unterschriften der Initiative „Expedition Grundeinkommen“. Foto: pr

Dirk Andresen, Hamburg

Endlich ein Hoffnungsschimmer für Millionen ins soziale Abseits geratene Menschen, die oft genug mit einem Hartz-IV-Satz von 432 Euro durch den Monat kommen müssen. Die Volksinitiative „Expedition Grundeinkommen Hamburg“ lieferte jetzt über 13.000 Unterschriften im Rathaus ab. Sind 12.000 davon gültig (Auswertung läuft), ist die Initiative legitimiert, die nächsten Schritte für einen dreijährigen „Modellversuch Grundeinkommen“ einzuleiten. In Krisenzeiten geht vieles was sonst nicht ging: Viele Arbeitnehmer erledigen ihren Job momentan Zuhause. Auch das Problem, wie man viele Solo-Selbstständige vor wirtschaftlicher Not bewahren kann, wäre mit einem Grundeinkommen leichter zu lösen als mit einem Rettungsschirm. Das Elbe Wochenblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.

Wie weit ist man wirklich auf dem Weg zu einem Modellversuch? Außer in Hamburg werden auch in anderen Bundesländern wie Berlin, Schleswig-Holstein und Brandenburg von verbündeten Initiativen Unterschriften gesammelt. Kommen – wie in Hamburg – genügend Stimmen zusammen, soll parallel zur Bundestagswahl im September 2021 über ein deutschlandweites staatliches Modellprojekt zum bedingungslosen Grundeinkommen abgestimmt werden.

Was würde der Modellversuch für Hamburg bedeuten? Wird bei einem Volksentscheid für das Projekt gestimmt, sollen 2.000 Hamburger für eine Testphase von drei Jahren ein monatliches Grundeinkommen – unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation – bekommen. Im Gespräch sind zwischen 200 bis knapp 1.300 Euro für jeden Erwachsenen – unabhängig davon, ob er arm oder reich ist. Sozial Schwache sollen dabei deutlich mehr als ökonomisch gut gestellte Bürger bekommen.
Leonie Schraven, Sprecherin der Initiative: „Man könnte mit dem Projekt wissenschaftlich seriös überprüfen, wie Gelder wirklich sinnvoll und gerecht verteilt werden sollten.“

Wieviel kostet das – und wer zahlt? Experten schätzen die Kosten für den Modellversuch auf knapp 40 Millionen Euro. In Hamburg sollen die zusätzlichen Ausgaben aus dem Posten „Allgemein zentrale Reserve“ im Haushalt gedeckt werden.

Wie stehen die Deutschen zu dem Vorhaben? Bei einer Umfrage des renommierten Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung erklärten 54 Prozent der Befragten ihre Zustimmung zu einem zeitlich befristeten Modellversuch.

Gibt es anderswo schon Testläufe und Erfahrungen zu dem Thema? Ja, in Finnland wurde 2.000 Bürgern zwei Jahre lang ein Grundeinkommen gezahlt. Resultat: Arbeitslose und sozial Schwache fühlten sich „generell glücklicher“, fanden aber weder besser noch schlechter neue Jobs.
Laura Brämswig, eine der Initiatoren der Expedition Grundeinkommen: „Das bedingungslose Grundeinkommen könnte eine Möglichkeit sein, eine neue Gesellschaft zu schaffen. Wenn wir das nicht zumindest ausprobieren, verpassen wir eine riesige Chance!“

Das sagen Hamburger Politiker

Matthias Bartke (SPD): Das bedingungslose Grundeinkommens basiert darauf, dass alle Menschen ein Grundeinkommen bekommen sollen. Dabei soll es egal sein, ob sie reich sind und es gar nicht brauchen, oder ob sie arbeitslos und ohne eigenes Einkommen sind. Es wird eben „bedingungslos“ gewährt.
Die SPD hält davon wenig. Reiche Menschen brauchen kein zusätzliches staatlich finanziertes Einkommen. Und bei Arbeitslosen sehen wir die Gefahr, dass der Staat in seinen Bemühungen um eine Arbeitsvermittlung nachlässt – die Menschen erhalten ihr bedingungsloses Grundeinkommen ja auch ohne Arbeit.
Das steht im Gegensatz zum Grundgedanken des deutschen Sozialsystems. Unser Sozialstaat basiert darauf, dass der Staat Menschen nur dann mit Geld unterstützt, wenn sie nicht arbeiten können. Entweder weil sie keine Arbeit finden oder weil sie es aus gesundheitlichen oder behinderungsbedingten Gründen nicht können. Dann erhalten sie Unterstützung vom Staat. Und nur dann.
Die SPD hat auf ihrem letzten Bundesparteitag ein neues Sozialstaatskonzept beschlossen. In dessen Mittelpunkt steht das „Recht auf Arbeit“. Denn Arbeit ist mehr als nur Geld verdienen. Arbeit gibt den Menschen Würde und Selbstbestätigung. Wir wollen daher, dass Langzeitarbeitslose kein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten, sondern dass sie Arbeit erhalten. Wenn sich für die jeweiligen Betroffenen kein Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt findet, so sollen sie Arbeit auf einem staatlich finanzierten „sozialen Arbeitsmarkt“ erhalten.
Einen solchen sozialen Arbeitsmarkt haben wir Anfang vergangenen Jahres mit dem Teilhabechancengesetz bereits eingeführt. Er gilt für Arbeitslose, die mindestens sechs Jahre arbeitslos sind. Mittlerweile beschäftigen wir über 50.000 Menschen zu Tariflöhnen in diesem sozialen Arbeitsmarkt. In der letzten Ausbaustufe sollen es dann 150.000 Langzeitarbeitslose sein.
Aufgabe des Staates muss es sein, Menschen ohne Arbeit auf Arbeitsplätze zu vermitteln. Aufgabe des Staates sollte es nicht sein, durch ein bedingungsloses Grundeinkommen Anreize zur Arbeitsvermeidung zu schaffen.

Anjes Tjarks (Grüne):
Die Volksinitiative ‚Expedition Grundeinkommen‘ möchte Hamburg zum Testlabor für verschiedene Varianten der Gewährung und Finanzierung eines Grundeinkommens machen. Die vorgeschlagene Ausgestaltung als groß angelegter wissenschaftlich begleiteter Modellversuch hat das Potential Erkenntnisse zu bringen, die über Hamburg hinaus wirken können. Wir werden den Prozess aufmerksam verfolgen, müssen uns aber ganz genau anschauen, wie verfassungsfest diese Initiative ist.
Die wichtige Diskussion um das Grundeinkommen beeinflusst auch unsere Forderungen wie die Anhebung des Mindestlohnes, die Kindergrundsicherung, Sanktionsfreiheit bei Hartz IV oder die Garantierente. Wichtig ist, dass wir alle Formen der Armut gezielt verhindern und unseren sozialstaatlichen Instrumentenkasten an diesem Ziel ausrichten. Der Mut zu visionären Ansätzen muss uns dabei stets begleiten. Aber es gilt, das Machbare zu machen.

Marcus Weinberg (CDU):

Für mich steht fest: ich lehne ein Initiative „Grundeinkommen für alle“ ab! Denn: Es ist die Grunduüberzeugung der CDU, dass es in Deutschland allen mö̈glich sein soll, eigenstä̈ndig existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Mit dem Mindestlohn wurde hierzu ein Beitrag geleistet. Zusä̈tzlich dazu sehen wir es im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe als zielfü̈hrender an, niedrig entlohnte Arbeitnehmer mit Blick auf ihre konkrete Lebenssituation finanziell zu unterstü̈tzen, anstatt ein bedingungsloses Grundeinkommen zu zahlen. Dies soll Arbeitsuchende motivieren, Beschä̈ftigungschancen zu ergreifen. Denn Arbeit ist mehr als bloßer Broterwerb. Sie ermö̈glicht Selbstverwirklichung, stiftet Lebenssinn und ist eine entscheidende Voraussetzung fü̈r gesellschaftliche Teilhabe. Unser Ziel ist es deshalb, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu fö̈rdern.
Das von der finnischen Regierung durchgeführte Modellprojekt, das die Initiative auch für Hamburg fordert, hat gezeigt, dass die Einfü̈hrung des Grundeinkommens langfristig für den Staat nicht finanzierbar wä̈re. Es wü̈rde zu einer enormen zusä̈tzlichen Belastung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler kommen und damit der Menschen, die das System am Laufen halten. Die finnische Regierung selbst zieht ein ernü̈chterndes Fazit ihres Experiments. Vor allem habe das Projekt gezeigt, dass Menschen ohne Beschä̈ftigung durch das Grundeinkommen nicht mehr oder weniger gut einen neuen Job finden.

Norbert Hackbusch (Linke):
In unserer Partei wird das Thema Grundeinkommen kräftig diskutiert. Gemeinsam unterstützen wir die Idee, dass zumindest die Hartz IV-Sanktionen aufgehoben werden sollen. Außerdem begrüßen wir die Idee der Hamburger Initiative, einen zeitlich befristeten Modellversuch durchzuführen. Wir gehen davon aus, dass viele Menschen ihre Kraft gern in gesellschaftlich gute Arbeit stecken wollen. Allerdings hängt auch vieles vom konkreten Modell des Grundeinkommens ab. Es darf nicht dazu führen, dass sich die Unternehmen noch stärker aus der sozialen Verantwortung verabschieden. Diese Gefahr besteht, wenn soziale Absicherung weniger über vom Arbeitsgeber und Arbeitnehmer zu zahlende Sozialversicherungen geschieht, sondern stärker über die Steuern bezahlt wird.

1 KOMMENTAR

  1. „Korrektur durch die Expedition Grundeinkommen: Wir möchten einen Modellversuch zum Bedingungslosen Grundeinkommen, bei der die Zahlung und die Höhe der Zahlung UNABHÄNGIG von der finanziellen Situation einer Person sind. Genau das ist die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens, die wir vertreten.“

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