Auf 400 Meter Länge wurden Bäume gefällt und Brombeerbüsche entfernt – Behörden sahen Deichsicherheit in Gefahr
Angela Dietz, Wilhelmsburg.
Anwohner des Ernst-August-Kanals trauten ihren Augen nicht, als sie aus dem Fenster sahen. Arbeiter waren dabei, sämtliche Bäume und Brombeersträucher am nördlichen Ufer des Kanals zu entfernen. An beiden Ufern standen zudem Bagger und andere Großgeräte. Wilder Kahlschlag oder genehmigte Maßnahme?
Ein Anwohner (Name der Redaktion bekannt) begann bei Behörden herumzutelefonieren. Die Zuständigkeit herauszufinden, erwies sich als kompliziert. Letztlich stellte sich heraus, dass auf der betreffenden Seite das Bezirksamt Mitte zuständig ist, auf der Hafenseite die Hamburg Port Authority (HPA). Außerdem mischt der Landesbetrieb Straßen Brücken und Gewässer (LSBG) mit. Grund für die Fällung sei, so wurde mitgeteilt, die „Durchwurzelung“ des Deiches – eine Gefahr für Deichsicherheit und Sturmflutschutz. Die herbeigerufene Polizei kontrollierte, ob eine Fäll-Genehmigung vorlag. Ergebnis: Ja, formal war alles in Ordnung.
„Am Ernst-August-Kanal hat das Bezirksamt in Windeseile einen regelrechten Kahlschlag der Ufervegetation durchgepeitscht. Unterschiedslos wurden kostbare Erlen genauso abgeholzt wie wucherndes Brombeergebüsch gerodet“, erläuterte Anwohnerin Sigrun Clausen. „Gleichzeitig hat die HPA am südlichen Spreehafenufer massenhaft blühende Weiden tief unten am Stamm gekappt. Das hat mit einem üblichen Kopfbaumschnitt nichts zu tun.“
Auf Nachfrage des Wochenblatts teilte eine HPA-Sprecherin mit, es handle sich um einen
Rückschnitt, der notwendigen Messarbeiten diene, um die Standsicherheit des Deiches zu prüfen. Laut Sorina Weiland, Pressesprecherin des Bezirksamtes Mitte, war wegen des drohenden Endes der Fällsaison am 1. März Eile geboten. Auf 400 Metern Länge seien Weiden, Birken, Erlen und Ahorn gefällt, sowie Brombeergehölz entfernt worden.
„Alle Maßnahmen sind um diese Jahreszeit indiskutabel, ganz egal, ob sie generell begründet sind oder nicht. Das hätte spätes-tens im Januar, bevor Bäume und Sträucher austreiben, abgeschlossen sein müssen“, meint Sigrun Clausen. Muss dieser heftige Eingriff in die Natur nicht ausgeglichen werden? „Diese Frage wird gemeinsam mit der Umweltbehörde geklärt“, so Bezirkssprecherin Weiland.