
Dieser Artikel stammt aus unserem aktuellen „Binnenhafen live“-Magazin. Die nächste Ausgabe wird Ende Mai erscheinen, unmittelbar vor dem Binnenhafenfest.
Andreas Göhring, Harburg.
Die Community im Binnenhafen und hier besonders die Forscher, Tüftler und Wissenschaftler sind zunehmend beunruhigt: Das Mobilfunknetz ist im Bereich zwischen Süderelbe und Schwarzenberg-Campus offenbar im vorherigen Jahrtausend steckengeblieben.
„Momentan habe ich als leidgeprüfter Nutzer des Telekom-D1-Netzes in der TUHH auf dem Schwarzenberg gar keinen Empfang, manchmal zumindest einen Balken“, sagt Martin Mahn, Geschäftsführer der Tutech Innovation GmbH und der Hamburg Innovation GmbH. „Vodafone soll dafür dort ganz gut laufen.“
Genau so schlimm sei es, wenn er im nördlichen Niedersachsen unterwegs sei und im Auto telefoniere (Mahn: „Natürlich mit Freisprechanlage….“). Dann reiße ihm alle Nase lang die Verbindung weg. Doch zurück nach Harburg in den Channel.
Staunend hatte man hier im November 2018 den eher verunglückten Kompetenz-Nachweis von Bundesforschungsministerin Anja Karliczek vernommen, der neue Mobilfunkstandard sei „nicht an jeder Milchkanne notwendig“. Gut, wenn man neue, nicht ortsgebundene Arbeitswelten nicht zur Kenntnis nimmt, dann kann man so reden. Aber wenn sich in einer Region, in der Technische Universität, Fraunhofer CML Institut, Tutech, DLR-Institut für Lufttransportsysteme und jede Menge StartUps die Zukunft gestalten und in der Milchkannen allenfalls als Blumenvasen herumstehen, von 5G – von höherer Datenübertragung bei mobilem Internet und Mobiltelefon – keine Rede sein kann, stimmt etwas Grundsätzliches nicht.
Bisher ist
nichts passiert,
weder im
Binnenhafen
noch in Harburg.
Martin Mahn
Tutech-Geschäftsführer
Dabei treibt die Telekom den Ausbau des schnellen 5G-Netzes in Hamburg durchaus voran. Anfang Dezember 2019 waren in der Hansestadt 18 neue 5G-Antennen in Betrieb. Bis zum Jahresende sollte sich ihre Zahl schon verdoppelt haben. Aha! Vielleicht auch im Forschungscluster im Süden der Stadt? Nein!
Der neue Mobilfunkstandard soll zunächst rund um die Messe, am Hauptbahnhof, im Schanzenviertel, auf der Reeperbahn und in der historischen Altstadt angeboten werden. „Da, wo die Datennutzung hoch ist, gehen wir im ersten Schritt hin und bauen zusammenhängende Gebiete“, sagte Telekom-Technikchef Walter Goldenits. Folglich seien 2020 die Innenstadt, Rotherbaum, Altona und Ottensen dran.
Mitbewerber Vodafone war ein bisschen schneller. Schon im Juli 2019 hatte er drei 5G-Stationen in Betrieb genommen – und zwar in Altona, Billstedt und Schnelsen-Süd. Martin Mahn: „Bisher ist nichts passiert – weder im Binnenhafen noch in Harburg. Andere Bezirke haben da wohl Vorfahrt.“
Politische Initiativen, die den Interessen Harburgs und vor allem den Interessen der Forschungsregion Binnenhafen Aufmerksamkeit verschaffen könnten, waren bisher nicht erkennbar. Keiner der zehn Bürgerschaftsabgeordneten aus den Wahlkreisen Harburg und Süderelbe, fünf von der SPD, zwei von der CDU sowie je einer von FDP, AfD und der Linken, sind da irgendwie aufgefallen. Immerhin hatte die FDP in ihrem Bezirkswahlprogramm angekündigt: „Wir möchten dafür sorgen, dass der Bezirk Harburg eines der ersten Ausbaugebiete für 5G wird.“ Noch konkreter war tatsächlich die SPD. Dort hieß es: „Wir werden uns dafür einsetzen, dass der Harburger Binnenhafen eine exzellente digitale Infrastruktur für Innovation und Forschung erhält.“ Außerdem will sie sich für ein 5G-Testfeld im Binnenhafen stark machen.
Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Sören Schumacher, der sich in den Nullerjahren parteiintern profilierte, weil für ihn das Internet kein Neuland war und weil er – anders als die meisten seiner Genossen – am Computer mehr als die Funktion „Copy & Paste“ kannte, jubelt dann auch über die Ankündigung seiner Partei: „Wir sind die Speerspitze!“ Na ja, was 5G angeht, eher die Speerspitze der Nachhut. Immerhin!
Tatsächlich hat die SPD-Fraktion zusammen mit den Grünen schon im November einen Antrag in der Bezirksversammlung durchgebracht, in dem für den Binnenhafen ein 5G-Testfeld gefordert wird. Mit der größeren Bandbreite könnte zum einen Daten noch schneller übertragen werden, zum anderen ermögliche der neue Standard den Anschluss einer noch größeren Zahl mobiler Endgeräte. Vor allem sei es für „das Internet der Dinge“ notwendig, denn erst dadurch werde es möglich, zum Beispiel das autonome Fahren, selbstfahrende Transportsysteme in der Logistikbranche oder neue Maschinensteuerungen mit künstlicher Intelligenz zu gestalten. Zumindest bis Ende Januar gab es allerdings keinerlei Reaktion aus der zuständigen Fachbehörde.
So manch Wissenschaftler und so manch Jungunternehmer wird jetzt sehnsüchtig in den benachbarten Landkreis Harburg schielen. Der wurde nämlich als einer von 138 Bewerbern eines 5G-Innovationswettbewerbs des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur ausgewählt. Jetzt gibt es 100.000 Euro für das Konzept „USING5G“, mit dem aus dem TIP Innovationspark in Buchholz ein smartes Gewerbegebiet mit einer gemeinsamen 5G–Infrastruktur entwickelt werden soll. Demnächst könnte also Martin Mahn zum Telefonieren nach Buchholz fahren.