Der Altonaer Fischmarkt um 1930. Foto: Altonaer Stadtarchiv/Wolfgang Vacano

Von Reinhard Schwarz. „Ohne Not geht niemand zu den Fischen.“ Dieser Ausspruch galt lange für die schlecht bezahlte Arbeit in der Fischindustrie von Altona und auch Ottensen. Fischverarbeitung war vor allem Frauensache. Jahrhundertelang lebte Altona vom Fisch und stand in ständiger Konkurrenz zu Hamburg.

„Altona war europäische Fischhauptstadt, nirgendwo wurde mehr Fisch angelandet als dort“, sagt Stadtarchivar Wolfgang Vacano. Dabei hatten es die Altonaer Fischer gar nicht weit: Die Fischgründe lagen damals noch in der Elbe vor Blankenese und Nienstedten. Gefangen wurde vor allem Hering, aber auch Seefische. Die Altonaer Fischer hatten es nicht sehr weit. „Standortvorteil“, würde man sowas heutzutage nennen. Das Nachsehen hatten die Hamburger Fischer, so Vacano. „Die Altonaer Fischer hatten ihren Fang schon im Netz, während die Hamburger erst später dazu kamen.“

Der größte Fischereihafen des Landes im Jahr 1900

Ein weiterer Vorteil der Altonaer Fischer: Sie waren „frei“, während die Hamburger „Amtsfischer“ noch in die mittelalterlichen Zünfte eingebunden waren. Angst um die Fischbestände musste man damals wohl nicht haben, gibt der Archivar zu verstehen: „Es war genug da. Von einem Leerfischen war nicht die Rede.“ Rund 200 Jahre dauerte der Kampf um den Fisch zwischen Altona und Hamburg. Vacano: „Der Kampf endete – ob man es glauben will oder nicht – mit einem enormen Sieg für Altona. Denn die Stadt war um 1900 längst Deutschlands größter Fischereiumschlaghafen.“

Davon zeugt auch noch der (nicht mehr zugängliche) „Schellfischtunnel“, durch den die verderbliche Ware zum Altonaer Bahnhof transportiert wurde. Ironie der Geschichte: Erhalten geblieben ist die im Krieg beschädigte Altonaer Fischauktionshalle, die vor allem durch Privatinitiative vor dem Abriss gerettet wurde. Die Halle wurde zwischen 1895 bis 1896 gebaut. Ein Jahr zuvor war ein neuer Fischereihafen an der Grenze zu St. Pauli gebaut worden – zum Unmut der hanseatischen Konkurrenz. Die Kosten hatten sich das damals preußische Altona und das Land Preußen geteilt. Die Fischhallen auf Hamburger Gebiet fielen nach dem Zweiten Weltkrieg allesamt der Spitzhacke zum Opfer, während in der Altonaer Auktionshalle heute viele Veranstaltungen stattfinden.

Kein Ruhmesblatt für Altona ist die Geschichte der Frauenarbeit in der Fischindustrie. „Damals gehörte die Arbeit in der Fischfabrik – neben dem Lumpensammeln – zu den schlechtbezahlten, am wenigsten angesehenen und sehr schmutzigen Tätigkeiten“, heißt es in einem Ausstellungskatalog zur Arbeit in den Räuchereien und Fischfabriken in Altona und Ottensen. Diese fand in kalten Hallen statt, Akkord und Nässe und der durchdringende Fischgeruch setzten den Arbeiterinnen zu. Rheumatische Erkrankungen und Rauchvergiftungen beim Räuchern waren die Folgen.

Hinzu kamen die unregelmäßigen Arbeitszeiten, Saison- und Sonntagsarbeit je nach Fischanlandung. Als infolge des „Wirtschaftswunders“ in den 1960er-Jahren viele weibliche Beschäftigte anderswo besser bezahlte und „saubere“ Jobs fanden, traten vor allem Frauen aus den Mittelmeerländern wie der Türkei an deren Stelle.

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