
Von Folke Havekost. Ende November atmeten Hamburgs Mieter kurz durch. Der neue Mietenspiegel wies aus, dass die Mieten in der Hansestadt in den vergangenen zwei Jahren um 2,6 Prozent gestiegen sind – und damit deutlich langsamer als zuvor, als Steigerungsraten von vier bis fünf Prozent die Regel waren. Im Durchschnitt zahlen die Hamburger nun 8,66 Euro pro gemieteten Quadratmeter. Die Frage, wie günstiger Wohnraum bewahrt und neu geschaffen werden kann, bleibt aber eine der wichtigsten im Wahlkampf.
Zwei Volksinitiativen machen der Politik Dampf
„Unser Ziel ist, dass alle Bürger überall in der Stadt eine Wohnung finden und auch bezahlen können“, sagt Dorothee Stapelfeldt (SPD). Die Senatorin für Stadtentwicklung verweist auf jährliche Baugenehmigungen für mindestens 10.000 neue Wohnungen und die eingeführte Mietpreisbremse, die bei Modernisierungen allerdings oft nicht greift. Der rot-grüne Senat will städtische Flächen künftig nur noch im Erbbaurecht verpachten, um den eigenen Gestaltungsspielraum zu erhöhen und dort einen Quadratmeterpreis von höchstens zehn Euro für zumindest zehn Jahre festschreiben. „Die Vergabe im Erbbaurecht sorgt dafür, dass Neubauprojekte günstiger werden“, sagt der grüne Stadtentwicklungsexperte Olaf Duge.
Zwei Volksinitiativen gehen diese Pläne nicht weit genug. Die Initiative „Boden und Wohnraum behalten – Hamburg sozial gestalten“ möchte der Stadt verbieten, eigene Grundstücke an private Investoren zu verkaufen. Die Initiative „Neubaumieten auf städtischem Grund für immer günstig“ verlangt, dass auf öffentlichem Bauland künftig nur noch Sozialwohnungen ohne Bindungsfrist entstehen dürfen.
SPD findet Mietendeckel „abenteuerlich“
Zuletzt warteten mehr als 10.000 Haushalte trotz Dringlichkeitsscheins vergeblich auf eine passende Wohnung. „Die Sorge der Menschen, keine Wohnung zu finden, droht in Angst umzuschlagen“, taxiert Siegmund Chychla, der Vorsitzende des Mietervereins zu Hamburg. Der Mieterverein unterstützt die Volksinitiativen ebenso wie die Linkspartei, die Hamburg als „Epizentrum des Mietenwahnsinns“ bezeichnet und als einzige Partei ein fünfjähriges Einfrieren der Mieten wie in Berlin befürwortet.
Für Bürgermeister Peter Tschentscher sind das „abenteuerliche Vorschläge“. Seine SPD will die Zahl der Sozialwohnungen von 3.000 auf 4.000 pro Jahr steigern und setzt auf SAGA-Systemwohnungen für acht Euro pro Quadratmeter, während die Grünen ein zweites kommunales Wohnungsunternehmen neben der SAGA gründen möchten. Mietsteigerungen sollen auf maximal drei Prozent jährlich begrenzt werden. Vermieter, die das nicht ausreizen, könnten als „Fairmieter“ steuerliche Vorteile erhalten.
CDU will das Umland stärker in die Pflicht nehmen
CDU-Stadtentwicklungsexperte Jörg Hamann plädiert dagegen für eine vereinfachte Eigentumsbildung, im Zweifel auch außerhalb der Stadtgrenzen: „Um Hamburg als Markt zu entlasten, müssen wir auch das Umland in die Pflicht nehmen.“ Ein gemeinsamer Flächennutzungsplan von Hamburg und seinen Randgemeinden solle zukünftig „nicht nur Einfamilienhaus-Gebiete“ ausweisen. Das Großprojekt einer Untertunnelung der Willy-Brandt-Straße könnte Wohnraum in der Innenstadt schaffen, würde aber Jahre in Anspruch nehmen.
Mehrheit für mehr Staat auf dem Wohnungsmarkt
Die FDP setzt vor allem auf Entbürokratisierung, um private Investoren zu überzeugen. Die Liberalen wollen deshalb die Mietpreisbremse abschaffen, das Planrecht verschlanken und die Grundsteuer flächenabhängig gestalten. Die AfD möchte die Grundsteuer am liebsten ganz abschaffen und lockt mit einem „Hamburger Wohngeld“ für einkommensschwache Haushalte, die mehr als 6,50 Euro Miete pro Quadratmeter zahlen.
Laut einer NDR-Umfrage befürworten 69 Prozent der Hamburger mehr staatliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt. Doch die sind gar nicht so einfach: Weil laufend bestehende Wohnungen aus der Sozialbindung fallen, erhöht sich die vorhandene Zahl geförderter Wohnungen aber selbst nach den Plänen des rot-grünen Senats bis 2030 nur von 79.000 auf 83.000 Einheiten. Es ist ein bisschen so wie der Kampf gegen die mythische Wasserschlange Hydra, der für jeden abgeschlagenen Kopf zwei neue wachsen: Wo eine neue günstige Wohnung gebaut wird, fällt (mindestens) eine andere aus der Sozialbindung.
Zumal Hamburg nach wie vor boomt: Gerade hat der Senat Jenfeld unter eine Soziale Erhaltungsverordnung gestellt, um einsetzende Verdrängungsprozesse zu vermeiden. Dass der Stadtteil im Osten so viel Begehrlichkeit bei Investoren und Projektentwicklern weckt, wäre vor ein, zwei Jahrzehnten noch undenkbar gewesen.
Es ist richtig, dass wir aktuell deutlich mehr Wohnraum brauchen. Auch ich bin davon betroffen. Neulich habe ich jedoch eine interessante Reportage darüber gelesen, dass in den nächsten 10-20 Jahren ein deutlicher Überschuss an Wohnraum vorhanden sein wird. Das liegt vor allem daran, dass gerade die geburtenstarken Jahrgänge Wohnungen nachfragen, baldige Generationen aber weniger Kinder haben.
Macht man sich darüber schon Gedanken, oder kaufen wir jetzt alle teuren Wohnraum, der danach deutlich weniger wert ist?