HSV-Legende Charly Dörfel zu Hause inmitten seiner Erinnerungsstücke. Foto: stahlpressmedienbüro

Von Volker Stahl, HARBURG/MECKELFELD.
Gert Dörfel, den alle nur „Charly“ rufen, ist bester Laune. Anfang September wurde der Sportplatz am Harburger Kapellenweg nach ihm benannt, die Presseanfragen reißen seit Wochen nicht ab und gesundheitlich geht es langsam wieder bergauf. Kurz vor seinem Geburtstag am 18. September, den der legendäre Linksaußen des HSV mit Freunden auf Mallorca verbringen wird, empfing Dörfel Elbe-Wochenblatt-Mitarbeiter Volker Stahl zu einem Gespräch in seinem schmucken Eigenheim in Meckelfeld. Mehrere Räume und die Flure des Hauses sind mit Erinnerungsstücken aus seiner glanzvollen Fußballkarriere geschmückt. Nachdem Ehefrau Lidia Kaffee und Butterkuchen serviert hat, startet Charly zum rhetorischen Flankenlauf!

Herr Dörfel, schön, dass Sie sich trotz des Termindrucks Zeit für uns genommen haben! Kein Problem, ich bin immer gerne für die Gemüseblätter da.

Sie stammen aus Harburg. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Heimat? Unsere Familie hat lange auf dem Mopsberg gewohnt. Die Adresse war Würfelstraße 1. Dort, Ecke Baererstraße, hatten wir eine Gaststätte. Zusammen mit meinem Bruder Bernd habe ich das Haus mit zwölf Wohnungen später geerbt, aber inzwischen verkauft.

Jetzt sind Sie mit der Umbenennung des Sportplatzes am Kapellenweg geehrt worden … Das freut mich riesig, auch deshalb, weil der FC Viktoria Harburg, der dort spielt, der Heimatverein meines Vaters Friedo ist.

Welche Rolle spielt der Fußball noch in Ihrem Leben? Der ist momentan eher zweitrangig, aber vor dem Fernseher sitze ich wie ein Weltmeister.

Sie selbst waren nie bei einer WM dabei. Woran lag’s? 1962 war ich knapp dran. Ich hatte die Nationalelf mit meinen Toren nach Chile geschossen, aber kurz vor dem Abflug zog mir Helmut Schön die Gangway vor der Nase weg.

Aber der Bundestrainer hieß Herberger… Schön soll ihm geflüstert haben, lieber Heinz Vollmar vom 1. FC Saarbrücken mitzunehmen. Offiziell wurde die Entscheidung mit meiner Grippe begründet, an der ich seit Saison-ende litt. Und was war 1962? Vollmar spielte nicht, die deutschen Stürmer brachten keine einzige tödliche Flanke vor das Tor und wir schieden gegen Jugoslawien aus. Ich hätte helfen können.

Die heutigen Fußballer wirken stromlinienförmig und angepasst. Es gibt kaum noch Typen. Woran liegt das? Der Fußball hat sich stark verändert. Typen wie Ente Lippens oder ich sind ausgestorben wie einst die Dinosaurier oder die Mammuts. Wer heute offen seine Meinung sagt, wird gleich bestraft.

War das früher anders? Wir haben zwar Respekt vor unseren Vorgesetzten, waren aber frecher. Wer Leistung brachte, durfte auch mal die Wahrheit sagen.

Ist auch der Spaß wegen der Professionalisierung abhanden gekommen? Ich hatte Narrenfreiheit und habe die auch ausgenutzt. Die Zeit war damals ehrlicher. Und das Geld, das wir hätten kriegen sollen, bekommen die Spieler heute (lacht). Wir waren ja noch richtige Feierabendfußballer und hatten alle einen Beruf.

Sind Sie eigentlich immer noch ein Spaßvogel? Ja, klar! Ich haue gerne Sprüche raus. Zum Beispiel diesen hier: Zwei die nichts wissen, wissen auch nicht mehr als einer, der auch nichts weiß. Früher trat ich sogar in Hamburg im Zirkus Fliegenpilz als Clown auf, heute bin ich Ehrenmitglied im Circus Roncalli.

Faxen zu machen liegt Ihnen wohl im Blut? Ja, ich glaub’, das liegt in meinen Genen. Ich habe die Leute schon immer zum Lachen gebracht – als Kind war ich der Witzbold in unserer Straße, später die Ulknudel beim HSV. In der Nationalmannschaft war ich als Faxenmacher der Nachfolger von Helmut Rahn. Sogar der spröde Helmut Schön hat mich dazu angetrieben, die Stimmung zu heben, als er mich mal aufforderte: ‚Charly, mach mal Ente!‘ Habe ich gemacht, und bin dann ‘rumgewackelt. Quieken wie eine wilde Sau kann ich übrigens auch.

Vergeht Ihnen der Spaß, wenn Sie an den heutigen HSV denken? Der Verein hat viele Fehler gemacht. Zu viele Trainer verschlissen, die falschen Spieler gekauft und anderen viel zu viel bezahlt. Am schlimmsten war aber der Aufsichtsrat. Beim Vorzeigeverein Bayern München haben nur drei, vier Leute was zu sagen, beim HSV waren es zehn bis 15. Auch deshalb ist er aus der Bundesliga abgestiegen.

Wie wird der HSV im zweiten Jahr in der 2. Liga zurechtkommen? In dieser Saison bin optimistisch, dass es mit dem Wiederaufstieg klappt. Der HSV hat gut eingekauft mit Dieter Hecking endlich den richtigen Trainer. Die werden Erster!

Was haben Sie im Leben noch vor? Das hängt vor allem von der Gesundheit ab. Ich habe Pflegestufe 3, hatte ein Aneurysma, einen kleinen Herzinfarkt, sieben Stents und war total verrostet. Ich habe jetzt zwar einen Stock, mache alles mit halber Kraft, bin aber wieder gesund. Ich möchte noch ein paar schöne letzte Jahre mit meiner Frau Lidia verleben und bin optimistisch, dass ich das schaffe – man hat mich ja schließlich gut repariert.

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