Maren Langenbach, Eimsbüttel
Im Sessel sitzen, die Hände in den Schoß legen und ein paar Gänge runter schalten, nur, weil sie Rentnerin ist, das ist Carmen Sagerts Sache nicht. „Da geht noch was!“, ist die 70-Jährige mit Blick auf ihr weiteres Leben überzeugt. Selbst gefühlt pausenlos mit dem Rad unterwegs, arbeitet die Hamburgerin nach ihrem Berufsleben als Unternehmensberaterin und Informatikerin heute ehrenamtlich. Gemeinsam mit Ehemann Rolf engagiert sie sich in der Flüchtlingshilfe, arbeitet in der Gemeinde der Apostel- und Christuskirche, bietet Meditationskurse an, wirkt gestalterisch und verfasst Krimis. Und als ob das noch nicht genug wäre, hat sie vor Kurzem noch die Frauengruppe „Frauen 65plus“ ins Leben gerufen, die sich jeden Donnerstag, 15 bis 17 Uhr, im Café 57, Eppendorfer Weg 57, trifft.
„Denken andere Frauen meiner Generation auch so wie ich, was geschieht mit uns im Alter? Welche Träume haben wir verwirklicht, welche haben wir?“, fragte sich die Mutter einer Tochter und zweifache Großmutter. „Das wollte ich herausfinden, gemeinsam mit anderen Frauen, die im gleichen Alter und in ähnlichen Lebensumständen sind wie ich.“ Sagert trifft mit ihrem Angebot zum Austausch offenbar einen Nerv. 13 Frauen aus Eimsbüttel und Umgebung kamen bereits zu den ersten Treffen. Alle über 60 Jahre, alle grundverschieden, doch sich auf Anhieb sympathisch. „Wir sind ein bunter Haufen Frauen, die gespannt darauf sind, zu erfahren, wie es der Anderen in ihrem Leben so ergangen ist“, erzählt sie.
„Nach unseren Müttern, Trümmerfrauen zurück am Herd, war es unsere Generation, die als ,nur ein Mädchen’ geboren, die Welt mit der Frauenbewegung, ihren Ansichten und Auftreten auf den Kopf gestellt hat. Wenn Frauen heute eine Wahl haben, dann, weil unsere Generation, die nach dem Krieg Aufgewachsenen, den Mut hatte, gegen den Strom zu schwimmen.“ Die Rolle der Frau damals, frühe Schwangerschaften, das Leben mit Eltern, die den Krieg hautnah miterleben mussten und oft gewalttätig und verbittert waren, all’ dies sind Themen, die die Frauen der „65plus“-Gruppe eint.
„Jede erlebte diese oder ähnliche Dinge in ihrer Jugend, wir tauschen uns darüber aus, wollen aber auch nach vorn schauen, jedes Mal ein neues Thema besprechen und viel gemeinsam unternehmen“, so die Pläne der Initiatorin. Zusammen wandern, kochen, aber auch über Themen wie Schwerhörigkeit, Einsamkeit oder den Tod sprechen. „Dabei sage ich ganz deutlich, dass wir mit 70 auch Träume haben, warum auch nicht? Nichtsdestotrotz beschäftigen wir uns mit Dingen, die im Alter so kommen.“
Doch gemeinsam über die gesundheitlichen Zipperlein jammern und sich grämen, dass wollen Sagerts Frauen auf keinen Fall. „Ich habe ganz bewusst eine Frauen- und keine Seniorengruppe gegründet“, betont Carmen Sagert. „Die Kunst besteht darin, im Heute zu leben. Denn die Zukunft kommt von vorn.“
❱❱ Nächstes Treffen ist morgen, Donnerstag, 29. August, 15-17 Uhr, Café 57, Eppendorfer Weg 57. Carmen Sagert unter Tel. 01525/316 54 93