Volker Stahl, Lurup
„Ja, der Chef ist persönlich am Apparat“, antwortet Stefan Stork einer Frau, die ein Meditationsbänkchen per Telefon bei ihm bestellt: „Sie sind 1,74 Meter groß? Dann würde ich das niedrigste nehmen.“ Dass der 60-Jährige seinen Lebensunterhalt einmal mit dem Verkauf von kleinen Holzschemeln bestreiten würde, auf die man sich zum Meditieren setzt, hätte er sich vor Kurzem nicht träumen lassen. Die Idee zur Gründung des Senior-Start-ups kam dem an einer Depression Erkrankten während der Reha.
Die ungewöhnliche Geschäftsidee ist eine weitere Wendung in Storks Lebensgeschichte. Er absolvierte eine Lehre als Chemielaborant, holte das Abitur nach, studierte Fotodesign und arbeitete bis 1998 als freier Fotograf. Weil er die Studiomiete nicht mehr bezahlen konnte, war er anschließend acht Jahre bei einer Hamurger Bildagentur beschäftigt.
Dann lernte Stefan Stork eine Frau kennen und lieben, die sich mit dem Bau und Verkauf von Kristalllüstern selbstständig machen wollte. Zusammen mit einem weiteren Geschäftspartner baute er – als Angestellter – ein Unternehmen mit auf, das bald brummte. Erst wurden die Lüster aus Swarovski-Steinen im eigenen Wohnzimmer im Auftrag von Künstler-Architekten montiert, bald für Scheichs in Hallen. „Schwerreiche Araber kamen zu uns und wollten irgendwelche Kronleuchter kaufen, und zwar sofort.“ Der Preis war ihnen egal. „Es war diesen Kunden schwer zu erklären, dass wir nur nach Aufträgen bauten“, erklärt Stork das Eintauchen in die Welt derer, die alles haben und nie genug kriegen können. Er verdiente prächtig, reiste nach Dubai und in die Emirate, wo er mit obszönem Luxus konfrontiert wurde.
Doch bald übermannte ihn eine Depression, gegen die er lange angekämpft hatte und deren Ursache er in seiner frühen Kindheit verortet: „Ich befand mich ständig in Gedankenkarussells, musste Geld verdienen, durfte nicht schwach werden, um die Wohnung und den Unterhalt für meine beiden Kinder zu bezahlen.“ Als ihm der Geschäftspartner und seine Ex-Freundin nach drei Monaten Ausfall den Job kündigten, brach er vollends zusammen: „Ich stand vor dem Nichts.“
Er kam in eine Psychosomatische Klinik nach Rissen, lernte dort eine neue Frau kennen und fing an zu Meditieren:
„Das hat mir sehr geholfen. Durch bewusstes Atmen fand ich ins Leben zurück.“ Bei der anschließenden Reha in Bad Kissingen kam ihm die Idee mit den Meditationsbänkchen: „Im Schneidersitz zu meditieren war für mein Alter nichts, deshalb dachte ich: Ich kauf‘ mir so ein Ding.“ Als er den Preis – 50 Euro – erfuhr, dachte sich der handwerklich Begabte: „Das baue ich mir selbst – mit dem richtigen Material, nicht lackiert und bio.“ Nach einer Stunde Arbeit war das Bänkchen fertig. Materialkosten: 7,80 Euro. „Hey, dachte ich, da kann man doch ein Geschäft draus machen.“
Eine Bekannte, die Schulmöbel in Ungarn herstellen ließ, vermittelte den Kontakt zu einem dortigen Schreiner, der 100 Stück nach einer von Stork angefertigten Zeichnung produzierte. Stork fuhr mit einem Kombi nach Ungarn, holte die erste Lieferung persönlich ab, besorgte sich einen Gewerbeschein und bot die edlen Holzteile im Internet an.
Gut ein Jahr später brummt der Handel mit den in drei Größen erhältlichen Meditationsbänken aus Buchenholz, die jetzt in einer Manufaktur in der Nähe von Dresden gebaut werden. Im vergangenen Jahr verkaufte er 1.000 Stück, Tendenz steigend!
Mittlerweile hat er sein Sortiment erweitert. Jetzt vertreibt das aus der persönlichen Not geborene Senior-Start-up auch Wollfilzdecken mit verschiedenen Maßen, Duftwässerchen und demnächst Meditationskissen. Jede Sendung versieht Stork, der vor einigen Monaten nach Lurup gezogen ist, mit einem persönlichen Anschreiben: „Die Arbeit macht mir großen Spaß – das ist die Hälfte des Verdiensts.“
❱❱ Kontakt: www.stork-ware.de