
Ch. v. Savigny, Osdorfer Born
Es gibt Momente, da kann sich selbst Kirchenmann Mathias Dahnke nur schwer beherrschen. „Neulich hörte ich von einem Bekannten, der als Maler arbeitet und eine Familie mit vier Kindern zu versorgen hat“, berichtet der Pastor der Maria-Magdalena-Gemeinde. Trotz seines Jobs habe es bei ihm – dem Bekannten – vorne und hinten nicht gereicht. „Das darf einfach nicht sein“, regt sich Dahnke auf. Seit mittlerweile zwölf Jahren gibt es im Osdorfer Born eine Lebensmittelausgabe, die Essbares an Bedürftige verteilt – Arbeitslose, Hartz-IV-Empfänger, Rentner, aber eben auch an sogenannte „Aufstocker“ wie den befreundeten Handwerker. Menschen, die arbeiten und trotzdem arm sind. In den letzten Jahren hat ihr Anteil bei der Ausgabe im Bürgerhaus Bornheide deutlich zugenommen. Kürzlich musste die Einrichtung, die an die örtliche Gemeinde angeschlossen ist, einen Aufnahmestopp aussprechen. „Wir sind an unsere Grenzen gestoßen“, sagt Dahnke.
Mit derzeit 500 Berechtigungsscheinen gehört die Ausgabestelle im Born zu den größten ihrer Art in ganz Hamburg. Jeden Freitag zwischen 15.30 und 17.30 Uhr werden Lebensmittel, die kurz vor dem Verfallsdatum stehen oder die aus anderen Gründen von den Supermärkten aussortiert wurden, an die Besucher verteilt. Konserven oder Nudeln und Reis gehören dazu – andererseits aber auch reichlich Frisches wie Obst und Gemüse. Im wöchentlichen Wechsel ist mal die eine, mal die andere Hälfte der Berechtigten an der Reihe. Genauso penibel ist geregelt, zu welchen Zeiten man früher am Nachmittag kommen darf (mehr Auswahl!) und wann später.
Weitere Probleme tragen zum aktuellen Engpass bei: Viele Supermärkte planen inzwischen besser, verkaufen ihren „Ausschuss“ lieber selbst zum halben Preis. Zudem wird der Ausgaberaum im Bürgerhaus die Woche über anderweitig benötigt. Das bedeutet: Die Ehrenamtlichen müssen viel hin- und herräumen – und sind am Ende des Tages oft völlig erledigt (siehe. Seite 3). Trotzdem will sich Pastor Dahnke nicht um zusätzliches Personal oder andere Räume bemühen. „Wir sind nicht dafür da, dass wir der Politik oder dem Senat die Verantwortung abnehmen“, sagt er. „Das wäre das völlig falsche Signal.“
„Wir sind wie eine große Familie“
OSDORFER BORN. Rund zwölf bis 15 Ehrenamtliche kümmern sich im Bürgerhaus Bornheide um die Verteilung der Lebensmittel – Menschen aller Altersstufen, vom Studenten bis zum Rentner. Lediglich ein knappes Viertel davon sind Männer. „Manchmal denke ich, die Männer können nicht so viel aushalten wie wir Frauen“, sagt Türkan Karagedikli und lacht über ihren Scherz, der wohl auch ein Stückchen Wahrheit enthält. Genauso wie ihre Kollegin Emel Peker engagiert sich die Bornerin als ehrenamtliche Mitarbeiterin bei der Essensausgabe. „Wir haben eine tolle Gemeinschaft, sind wie eine große Familie“, so Emel Peker. Und: „Ich finde es gut, Lebensmittel nicht wegzuwerfen, sondern für den guten Zweck weiterzugeben.“
Freitag bedeutet für die beiden Frauen Großkampftag: Um 4 Uhr aufstehen, um eine Stunde später pünktlich mit der Arbeit zu beginnen – beide sind morgens bei einer Reinigungsfirma tätig. Anschließend geht es sofort im Bürgerhaus weiter: Tische aufstellen, Lebensmittel sortieren, alles vorbereiten, damit bis zum Ende des Tages nichts schiefgeht. Schließlich wollen 250 Menschen bedient und verköstigt werden. Rund die Hälfte von ihnen haben eine Familie zu versorgen – zuweilen mit sechs Kindern oder mehr. „Dann kommt natürlich entsprechend mehr in die Tüte“, sagt Karagedikli. Manchmal sind sie und ihre Kollegin zuvor auch per Kleinbus in der Hansestadt unterwegs, um irgendwo Lebensmittel abzuholen.
Ein Großteil der ausgegebenen Ware stammt übrigens von der zentralen Verteilungsstelle der „Hamburger Tafel“ in Wandsbek. Am Ende des Tages sind die beiden Frauen dann „völlig platt“, wie sie selbst sagen. „Nur noch duschen und ins Bett“, berichtet Emel Peker. Trotzdem würden sie ihren „Job“ im Bürgerhaus niemals aufgeben. „Es macht einfach Spaß, anderen zu helfen“, findet Türkan Karagedikli.