Amos Schliack im Grindelviertel. Foto: stahlpress

Von Folke Havekost. Sieben Grad und trocken – die Wettervorhersage für den Freitag ist günstig. „Wir hatten auch schon Wind und Regen“, sagt Amos Schliack, der zum sechsten Mal zur Aktion „Grindel leuchtet“ am 9. November aufruft. Seit 2013 versammeln sich dann Menschen und stellen Kerzen an die Stolpersteine im Hamburger Grindelviertel, wo einst das Zentrum des jüdischen Lebens in der Hansestadt war. Rund um die ehemalige Synagoge, die im Zuge der Reichspogromnacht vor 80 Jahren von den Nazis niedergebrannt wurde – das Fanal zur mörderischen Verfolgung von Juden in Hamburg, Deutschland und Europa.

Der gebürtige Berliner lebt seit 35 Jahren am Grindel, mit längeren Unterbrechungen wegen seiner Arbeit als Fotograf. „Als ich 2012 zurückkam, habe ich überall die Stolpersteine von Günter Demnig gesehen“, schildert er: „Weil sie mich berührt haben, habe ich überlegt, wie man sie an einem Tag besonders hervorheben kann.“ Wichtig sei ihm, dass jeder mitmachen könne, es keine Hierarchien oder Hemmschwellen gebe und eine „Trägerfrequenz“ zum Gedankenaustausch entstehe: „Wenn es dämmerig wird und die Kerzen brennen, entstehen Gespräche, die sonst nicht stattfinden.“

Viele Eltern nutzten etwa den Abend, um ihren Kindern das Geschehen nahezubringen. Schliack bemüht sich derzeit darum, die umliegenden Schulen einzubinden: „Denn das Wichtigste ist, dass die Aktion auch junge Leute erreicht.“ Schließlich solle die Erinnerungskultur sichtbar bleiben, auch wenn es immer weniger Zeitzeugen gibt. Der Fotograf gibt ihr ein Bild.

„,Grindel leuchtet’ soll an die Ermordeten erinnern“, betont der 67-Jährige, der selbst keinem Glauben angehört: „Heute geht es im Grindelviertel zum Glück aber auch um die lebenden Juden.“ An der Talmud-Tora-Schule wird seit 2007 wieder regulär unterrichtet, fast genauso lange gibt es das jüdische Café Leonar. Und im Mai 2018 wurden die ersten Hamburger Rabbiner seit dem Zweiten Weltkrieg ordiniert.

„Schon als Kind habe ich immer gezeichnet und fotografiert“, sagt Schliack, der seine Reportagebilder rund um die Welt für die Magazine „Geo“ und „Stern“ schoss. Später setzte er Heidi Kabel und Ulrich Wildgruber – neben vielen nicht berühmten Hamburgern – für eine Werbekampagne der Hamburger Sparkasse in Szene. Die inzwischen allgegenwärtige Fotografie durch Drohnen und Smartphones ist ihm nicht ganz geheuer. „Mit Drohnen lassen sich tolle Bilder machen“, meint Schliack: „Aber ich bin froh, dass ich zu einer Zeit gearbeitet habe, als das Fotografieren noch hautnah war.“

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