Traurig, wütend, fröhlich: zwölf Mal Gefühle an der „Dino-Uhr“ im Flur der Beratungstelle. Foto: cvs

An der „Dino-Uhr“ – nein, in diesem Fall handelt es sich ausnahmsweise nicht um den abgelaufenen Zeitmesser des HSV – können Kinder ihre aktuelle Gefühlslage ausdrücken: Der traurige Dino zum Beispiel verdrückt ein paar Tränen, der lustige lacht und springt herum, der wütende ballt die Fäuste. Und weil häufig ein Gefühl nicht ausreicht, dürfen die Kinder gerne beide Zeiger der Uhr benutzen. Zum Beispiel „fröhlich“ und „traurig“ zusammen – warum nicht? „Dahinter steht die Ambivalenz, die häufig mit sexuellem Missbrauch einhergeht“, sagt Wera Ellen Auras, Leiterin der Beratungsstelle „Zündfunke“ in der Max-Brauer-Allee.

So müssten betroffene Kinder zum Beispiel die schmerzvolle Erfahrung machen, dass die geliebte Bezugsperson einem gleichzeitig wehtun könne. „Zwei Gefühle gleichzeitig sind also völlig normal und nichts Ungewöhnliches“, so Auras.
In diesen Tagen wird der Verein Zündfunke, der aus einer Fraueninitiative an der Hamburger Uni hervorgegangen ist, 30 Jahre alt. Zum Angebot gehören Präventionsprojekte, Beratungen und Therapiemöglichkeiten für Frauen und Kinder. In den großzügigen, in warmen Farben gestrichenen Altbauräumen des früheren Altonaer Krankenhauses werden Einzelberatungen und Gruppensitzungen durchgeführt.
Mit seiner „Dino-Uhr“ und der Wanderausstellung „Echt Klasse“ ist der Verein regelmäßig an Kitas und Grundschulen unterwegs. Zum Team gehören fünf hauptamtliche Mitarbeiter und fünf Honorarkräfte. Der Verein wird zu 95 Prozent von der Sozialbehörde finanziert, die fehlenden fünf Prozent müssen durch Spenden und Mitgliedsbeiträge erbracht werden.

„Scham und Schuldgefühle sitzen meist sehr tief“

Im Jahr 1988, als „Zündfunke“ an den Start ging, sah das noch ganz anders aus. Geld gab es keins, alle arbeiteten ehrenamtlich mit. „Damals war das Thema ,Sexueller Missbrauch’ noch kaum in der Gesellschaft verankert“, berichtet Auras. Der Verein habe viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Erst Ende der 1990er-Jahre sei in der Hinsicht einiges passiert. Dann noch einmal 2010 – nach dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche. Und jetzt wieder, im Zuge der Me-Too-Debatte. Weitere Aufklärung sei dringend notwendig. „Sobald etwas passiert, sitzen Scham und Schuldgefühle bei den Betroffenen meist sehr tief. Da ist es wichtig, dass man frühzeitig entgegenwirkt“, so Auras.

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