Nach den Plänen des Erzbistums wird es in fünf Jahren in Harburg vermutlich keine Katholischen

Olaf Zimmermann, Harburg
Der katholische Schulverband gibt den Bezirk Harburg auf. Um die drohende Pleite des hoch verschuldeten Erzbistums Hamburg abzuwenden, sollen acht der 21 katholischen Schulen geschlossen werden – darunter mit dem Niels-Stensen-Gymnasium, der Katholischen Schule Neugraben und der Katholischen Schule Harburg sämtliche katholischen Schulen im Bezirk Harburg. Im Hamburger Süden befindet sich eine der größten katholischen Gemeinden Hamburgs.
Hintergrund: Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young hatten im Dezember 2017 beim Erzbistum Schulden in Höhe von 79 Millionen Euro festgestellt. Ohne Gegenmaßnahmen könnte diese Summe bis 2021 auf 353 Millionen Euro anwachsen. Ursachen seien ein sehr hoher Sanierungsbedarf an betreffenden Schulgebäuden sowie erhebliche Pensionsverpflichtungen.
„Die Schließung von Schulen ist daher nur ein erster – wenn auch wesentlicher – Schritt, um das Erzbistum und damit das katholische Schulsystem in Hamburg auf eine tragfähige finanzielle Basis zu stellen. Weitere Schritte in anderen kirchlichen Bereichen werden folgen“, erklärte Generalvikar Ansgar Thim.
Erst am Mittwoch hatten die Schulleitungen die geplanten Schließungen persönlich erfahren. Sie mussten Stillschweigen versprechen und die Lehrer der Schulen am Donnerstagabend informieren, ohne dass jemand vom Schulamt oder vom Erzbistum dabei war. Die Klassenlehrer mussten selber unter Tränen ihren Schülern am Freitagmittag die schlechte Nachricht verkünden und überreichten einen Brief an die Eltern.
Am 2003 eröffneten Niels-Stensen-Gymnasium, das erst 2011 seinen Neubau bezogen hatte, sollte am Freitag noch ein Tag der offenen Tür stattfinden. Die Veranstaltung wurde kurzfristig abgesagt. Die Jahrgänge Neun bis Zwölf können ihr Abitur noch in Harburg ablegen, die Jahrgänge Fünf bis Acht müssen spätestens nach Klasse zehn auf eine andere Schule wechseln.Für die Katholische Schulen Harburg und Neugraben gilt: Falls sich keine andere Finanzierungsmöglichkeit findet, werden ab dem Schuljahr 2019/2020 keine neuen Schüler aufgenommen. In fünf Jahren müssten diese Schulen dann geschlossen werden. Nur wenn sie durch eine andere katholische Einrichtung oder durch die Stadt Hamburg übernommen würden, hätten sie eine Zukunft.
Die Katholische Bonifatiusschule in Wilhelmsburg ist von den Schließungen nicht betroffen.

Stimmen zur Schließung

Die vom Erzbistum angekündigten Schulschließungen haben in Harburg für eine Welle der Empörung gesorgt. „Die Schulschließung hat nicht nur Auswirkungen auf Schüler, Lehrerschaft und Familien. Sie hat auch sehr weitreichende Folgen für die katholische Gemeinde… Katholische Kirche ohne katholische Schule ist für uns im Hamburger Süden unvorstellbar!“, sagt Daria Wolf, Vorsitzende des Pfarrgemeinderates St. Maria – St. Joseph Harburg.

Schulsenator Ties Rabe: „Die katholischen Schulen sind der mit Abstand größte private Schulträger in Hamburg und haben einen festen Platz im Hamburger Schulsystem. Deshalb bedaure ich die Entscheidung des Erzbistums sehr, acht von 21 katholischen Schulen in Hamburg zu schließen. Besonders für den Bezirk Harburg ist das eine sehr unglückliche Entscheidung

„Im Interesse der Schüler fordern wir das Erzbistum Hamburg auf zu prüfen, in welcher Form Unterstützung zum Fortbestand, respektive zur Sanierung möglich und vertretbar ist. Hier muss sich das Erzbistum auch entscheiden, welcher Rat der bessere ist – der Rat einer Unternehmensberatung oder der Rat der sich aus den christlichen Sozialprinzipien ergibt“, sagt Jürgen Heimath (SPD-Fraktionschef Harburg).

Peter Meinke (Diakon, Notfall- und Flughafenseelsorger, St. Maria/St. Joseph): Die Schließung von Einrichtungen und Aufgabe von bisher geleisteten Dingen ist wohl unumgänglich. Dass im Bereich Harburg, einem insgesamt nicht ganz unproblematischen Bezirk, alle katholischen. Schulen geschlossen werden, halte ich für ein Unding und eine sehr kurzsichtige Entscheidung, die in keiner Weise die soziale Struktur dieses Ortes mit einbezieht. Um die kulturelle Vielfalt im Bildungsbereich zu erhalten, ist es wichtig, dass es Schulen unter „Freier Trägerschaft“ wie zum Beispiel Evangelische-, Katholische Kirche oder Waldorfschulen gibt. Nur staatliche Schulen, ohne „Konkurrenz“, halte ich nicht hat für gut. Das gilt entsprechend für Heime, Pflegedienste und andere soziale Einrichtungen.

Birgit Stöver (Harburger CDU-Bürgerschaftsabgeordnete): Ich fordere den Senat auf, alle Hebel in Bewegung zu setzen, damit hier eine bessere Lösung gefunden wird – nicht nur für die Harburger, sondern für alle Hamburger Schüler, denn Standortschließungen von katholischen Schulen sind in mehreren Hamburger Bezirken geplant. Außerdem erwarte ich in dieser Sache Solidarität innerhalb der katholischen Kirche.“

Finanzierung
Jeder zehnte Schüler in Hamburg besucht eine Privatschule. In Zahlen ausgedrückt sind dies etwa 18.880. Zur Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen Hamburg gehören der Katholische Schulverband, die Stiftung Das Rauhe Haus, die Evangelische Stiftung Alsterdorf, Freie Christliche Bekenntnisschulen, Rudolf-Steiner-Schulen sowie Schulen im Verband Deutscher Privatschulen.Seit 2011 erhalten die Freien Schulen in Hamburg von der Stadt pro Schüler 85 Prozent der Kosten, die ein Schüler einer staatlichen Schule pro Jahr verursacht.
Das Problem: Bei den Gebäudekosten weicht die Schulbehörde, die in den vergangenen Jahren die Ausgaben für den Schulbau massiv gesteigert hat, von dieser Regelung ab. Im Schnitt erhalten Freie Schulen nach eigenen Angaben hier je nach Schulform nur zwischen 56 und 75 statt 85 Prozent.

Katholische Schulen im Hamburger Süden

Katholische Schule Harburg: 678 Schüler, 53 Lehrer, 9 sonstige Pädagogen Schule droht Schließung, keine Anmeldungen zum Schuljahr 2019/2020

Katholische Schule Neugraben: 363 Schüler, 35 Lehrer, 13 sonstige Pädagogen Schule droht Schließung, keine Anmeldungen zum Schuljahr 2019/2020

Niels-Stensen Gymnasium: 493 Schüler, 59 LehrerSchule wird geschlossen, keine neuen Anmeldungen möglich

Katholische Bonifatiusschule Wilhelmsburg: 716 Schüler, 60 Lehrer, 29 sonstige PädagogenBetrieb läuft normal weiter

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