Oliver Kroll, Hamburg West
Wenn in diesem Jahr die Kneipe „Seeteufel“ 60 wird, die Wirtin Evelyn Subbert ihr 30-jähriges Dienstjubiläum feiert, dann erinnert dieses Doppeljubiläum auch an die, wenig mehr als einen Steinwurf entfernte Seefahrtschule an Altonas Rainvilleterrasse. Hunderte von Steuermannsschülern und späteren Kapitänen büffelten hier Navigation, beschäftigten sich monatelang mit Magnetismus und Seemannschaftschaft. Längst standen an Bord Kreiselkompasse und die Satellitennavigation machte Logarithmentafeln entbehrlich. Knifflige Navigationsaufgaben wie die Suche nach dem „Namen eines unbekannten Sterns“, ließen die Köpfe rauchen. „Nicht alle Seefahrtschüler widerstanden der Gefahr, die damals vom Seeteufel ausging“, so der einstige Fahrensmann Rudolf Kremer.
So wurde aus dem Pausenkaffee schnell mal ein Bier oder auch ein Schnaps. „Der Griff zu den Karten folgte.“ Wobei es in dem Lokal gleich am Anfang der Elbchaussee nicht um Seekarten ging.
Um die ging es an der Rain-villeterrasse ab Mitte der 1930er-Jahre bis 1995. Dann war Schluss mit Steuermanns- und Kapitäspatenten.
In früher Morgenstunde ruft Evi: „Helbing ist alle!“
Die Schule wurde von der Stadt geschlossen, die Seekarten verschwanden, so wie die Spielkarten in den Schubladen des Seeteufels.
Wenn heute in der einstigen Seefahrtschule wieder studiert wird, das ist es der Verdienst des Architekten Meinhard von Gerkan. Er gründete die „Academy for Architectural Cultur“.
Durch den Erwerb, so von Gerkan „und den denkmalgeschützten Umbau des Gebäudes wird eine Tradition des Lehrens und Lernens als öffentlicher Ort der Stadt forgeführt“.
So entstand an historischer Stelle der „Campus Rainvilleterrasse“. Bestehend aus der „Brand Academy – Hochschule für Design und Kommunikation“ und die „Design Factory International“
Wo es früher um Sextanten und Funkpeiler ging, diskutieren heute Studenten über Marketing und Design.
Und was blieb von den einstigen Seefahrtschülern? Einige trifft der Gast immer noch im Seeteufel. Tagsüber wird hier längst nicht mehr geöffnet. Offen steht hingegen nach wie vor das Herz von Wirtin Evi. Zumindest meistens. Solange sich der Gast benimmt. „Andere fliegen raus.“
Auch wenn die Schar der Gäste viel bunter geworden ist als früher – am Maritimen kommt keiner vorbei. Auf einen Bildschirm laufen Sturmgeschichten. An einer Wand hängt ein historisches UKW-Gerät. Seekarten und maritimer Schnick-schnack dicht an dicht machen auch den zufällig reinschauenden Touristen klar, dass sie in einer Seemannsbar gelandet sind.
Und gefeiert wird damals wie heute. Manchen erinnert die Stimmung an „Crows Nest“ in Glouchester. Und in früher Morgenstunde ruft Wirtin Evi: „Helbing ist alle“.