Die Said-i-Nursi-Gemeinde ist in der Rotenhäuser Straße zu Hause. Aktuell herrscht schon wieder Platznot. Die Gemeinde sucht etwas Neues. Foto: cvs

?Ch.v.Savigny, Wilhelmsburg
Hanefi Ener sitzt an einem Tisch im Vorraum der Said-i-Nursi-Moschee, vor sich eine kleine, dampfende Tasse mit Schwarztee. Der Blick des Imam geht in Richtung der großen bodentiefen Fenster. „Gleich zu Anfang hatten wir es sehr schwer hier“, berichtet er. „Man hat uns als allererstes die Scheiben eingeschlagen.“ Zehn Jahre ist das jetzt her: Im Jahr 2007 war die kleine Gemeinde (die heute rund 150 erwachsene Mitglieder hat) vom Vogelhüttendeich an die Rotenhäuser Straße umgezogen. Ein früheres Ladengeschäft in unmittelbarer Nähe zum Krankenhaus Groß Sand und zur katholischen Bonifatiusgemeinde bot den gläubigen Muslimen eine neue Heimat. „Wir mussten erstmal renovieren“, sagt Ener. Aber inzwischen sei die Gemeinde endgültig im Stadtteil angekommen.
Die Said-i-Nursi-Moschee ist, wie fast alle muslimischen Gotteshäuser in Hamburg, von außen kaum als solche zu erkennen: So fehlen etwa die Minarette, wie man sie man von den Moscheen in der Türkei her kennt. Die Menschen, die hier ein und ausgehen, sind fast durchgehend Kurden.
Auch der Namensgeber der Moschee ist kurdischer Herkunft: Said Nursi (1876 – 1960) war ein Religionsführer, der Anfang des 20. Jahrhunderts in der Osttürkei lebte. Von den anderen muslimischen Gemeinden im Stadtteil unterscheide man sich eigentlich nicht groß, sagt Ener. „Zu 90 Prozent ist der Gottesdienst derselbe – abgesehen von ein paar Feiertagen.“
Spannungen unter den Wilhelmsburger Muslimen hätten Ende der 90er-Jahre dazu geführt, dass die Kurden ein eigenes Gotteshaus eröffneten. „Jeder sollte sein eigenes Haus haben, damit er in Frieden leben kann“, findet Hanefi. Das hieße aber nicht, dass man strikt getrennt lebe. „Es besuchen weiterhin Kurden auch türkische Moscheen und umgekehrt.“
Die Gemeinde ist bekannt für ihr soziales Engagement – dazu gehören zum Beispiel Krankenbesuche (auch im nahen Krankenhaus Groß Sand) sowie Spendensammlungen für Flüchtlinge. Die Jüngsten besuchen sonntags eine Koranschule. Nicht zuletzt haben sich unter dem Dach der Said-i-Nursi-Moschee allein fünf Fußballmannschaften gegründet, in denen Jugendliche und Erwachsene gegen das runde Leder treten.
Der religiöse Dachverband der Gemeinde ist die Schura (Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg).

?Drei Fragen an Hanefi Ener

Wochenblatt: Ihr Dachverband heißt Schura oder auch „Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg“. Wie stark ist der Einfluss auf Ihre Gemeinde?
Hanefi Ener: Viele muslimische Gemeinden werden vom Nahen Osten dominiert. Wir wollen aber als Religion unabhängig bleiben. Die Schura ist eine Dachorganisation, das ist nichts Politisches. Wir werden von der Schura nicht geleitet. Wir sind Mitglied, aber trotzdem unabhängig.
Wie stark ist die Gemeinde im Stadteil verwurzelt? Fühlen Sie sich integriert?
Wir nehmen regelmäßig am Dialogkreis teil, der von hiesigen christlichen und muslimischen Gemeinden organisiert wird. Die Imame und Pastoren kommen alle aus Wilhelmsburg. Der Dialogkreis findet alle zwei Monate statt, bei Bedarf auch öfters. Auch der Weltfriedenstag im September ist bei uns im Kalender markiert. An Ramadan laden wir Leute aus ganz Hamburg ein, am Iftar (das tägliche Fastenbrechen nach Einbruch der Dunkelheit, d. Red.) teilzunehmen.
Wie grenzen Sie sich von islamistischem Terror ab? Betreiben Sie Aufklärung?
Der Islamismus ist eine ganz falsche Richtung. Man muss auch darüber reden, ob man das überhaupt als Islam bezeichnen kann. Man darf natürlich seine Meinung sagen, aber man darf keine Gewalt ausüben. Ja, viele Menschen haben Angst: Es fehlt der Dialog, aber es fehlt auch das Wissen. Teilweise wird zuviel Propaganda gegen Muslime oder gegen bestimmte Gruppen gemacht. So entsteht eine Angstatmosphäre.

Hanefi Ener hat in der Osttürkei – in Bingül und Diyabakir – islamische Theologie studiert. „Jeder sollte sein eigenes Haus haben, damit es keinen Streit gibt“, sagt er. Foto: cvs

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